Mittwoch, 11. Januar 2017

BGH: Bewertung von Nießbrauch und Pflegeverpflichtung

Nießbrauch und Pflegeverpflichtung sind nach Ansicht des BGH mit dem Jahreswert multipliziert mit dem vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Vervielfältiger zu bewerten (BGH, Urteil vom 28.09.2016 - IV ZR 513/15).

Im Fall des BGH ging es um einen Anspruch aus § 2287 BGB. Danach kann ein Erbe, der in einem bindenden gemeinschaftlichen Testament eingesetzt ist, die Rückabwicklung von Schenkungen verlangen, die vorgenommen wurden, um die Erbenstellung auszuhöhlen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass eine Schenkung vorlag. Die Aussagen des BGH zum Vorliegen einer Schenkung haben auch Bedeutung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch. Auch dort muss eine Schenkung vorliegen, damit der Anspruch entsteht.

Der Erblasser hatte seiner Tochter ein Grundstück übertragen, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war. Der Erblasser behielt sich am Grundstück ein lebenslanges Nießbrauchsrecht zurück. Zusätzlich verpflichtete sich die Tochter, den Erblasser bei Bedarf zu pflegen. Der BGH entschied nun, wie der Nießbrauch und die Pflegeverpflichtung zu bewerten sind - einmal richtig und einmal zweifelhaft.

Bewertung des Nießbrauchs

Der Nießbrauch ist nach Ansicht des BGH in Anlehnung an § 14 Bewertungsgesetz (BewG) zu bewerten. Diese Vorschrift gilt zwar eigentlich nur für öffentliche Abgaben. Aber das dortige Bewertungsverfahren ist praxistauglich und wird in der Praxis auch regelmäßig genutzt. Teilweise wird kritisiert, dass dem Verfahren ein fester Zinssatz von 5,5 % zugrunde liegt. Aber andererseits kann ohnehin niemand vorhersehen, wie sich die Zinsen in der Zukunft entwickeln.

Die Berechnung ist danach ziemlich einfach:

Wert des Nießbrauchs = Jahreswert x Vervielfältiger

Der Jahreswert des Nießbrauchs ist die Nettomiete, die der Nießbrauchsberechtigte zahlen müsste, wenn er das Haus mieten würde (also monatliche Nettomiete x 12).

Der Vervielfältiger ergab sich früher aus der Anlage 9 zum BewG. Heute wird die Tabelle jährlich vom statistischen Bundesamt aktualisiert. Man liest dort einfach das Alter des Berechtigten beim Vertragsschluss ab und erhält den Vervielfältiger. Die Tabellen sind nach Frauen und Männern getrennt. Hier finden Sie die Werte für das Jahr 2016.

Bewertung der Pflegeverpflichtung

Für die Bewertung einer Pflegeverpflichtung gibt es bisher keine verlässlichen Ansätze. Der BGH führte in seinem Urteil aus, es könne dafür ebenfalls die jährliche Pflegeleistung mit dem oben erwähnten Vervielfältiger multipliziert werden (Rn. 11). Diese Ausführungen hat der BGH nicht weiter begründet. Sie sind in dieser Form unhaltbar. Bei der Pflegeverpflichtung gibt es gerade keine Leistung, die ab sofort und bis zum Tod erbracht wird. Vielmehr ist unklar, ob der Erblasser überhaupt gepflegt werden muss. Es ist aber auch möglich, dass eine relativ lange Pflege notwendig wird. Fast auszuschließen ist aber, dass die Pflege ab dem Vertragsschluss erforderlich ist, bei dem der Erblasser noch gesund ist. Es müsste daher das Risiko berücksichtigt werden, dass gepflegt werden muss und eine durchschnittliche Pflegedauer angenommen werden. Das geht jedenfalls nicht so, wie es der BGH jetzt angedeutet hat.

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