Mittwoch, 22. Februar 2017

Testierfähigkeit: Kosten des Gutachtens trägt der Erbe

Das OLG München legte die Kosten für das Sachverständigengutachten der Erbin auf, obwohl eine Testierunfähigkeit nicht festgestellt werden konnte (OLG München, Beschluss vom 15.12.2016 - 31 Wx 144/15).

Der Beschluss des OLG München enthält keinen Sachverhalt. Der Fall klingt aber verdächtig nach einem Fall, der aus der Tagespresse bekannt ist, zumal im Beschluss des OLG München Kunstwerke erwähnt werden und der Geschäftswert auf 50.000.000 € festgesetzt wurde: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/der-fall-gurlitt/gurlitts-testament-gueltig-kunstsammlung-geht-nach-bern-14575511.html

Der Beschluss des OLG München enthält seitenlange Ausführungen zur Testierfähigkeit. Im Ergebnis wurde die Testierfähigkeit des Erblassers bejaht, weil der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt ist, dass sich eine Testierunfähigkeit mangels ausreichender Anhaltspunkte nicht feststellen lässt. Mehrere Privatgutachter waren wohl zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erblasser testierunfähig war. Ob das Ergebnis des OLG München richtig ist, lässt sich aus der Begründung des Beschlusses nicht beantworten. Es ist möglich. Ich habe aber auch schon zu viele Verfahren gesehen, in denen die (angeblich) fehlende Beweisbarkeit der einfache Ausstieg aus dem Fall war.

Was hier interessant ist, ist die Kostenentscheidung. Das Gericht verteilt die Kosten im Erbscheinsverfahren nach billigem Ermessen (§ 81 Absatz 1 Satz 1 FamFG). Und das bedeutet in der Praxis, dass es keine verlässlichen Vorhersagen gibt. Im Zivilprozess werden die Kosten für ein Sachverständigengutachten demjenigen auferlegt, der verloren hat. Im Beschluss vom 30.04.2012 hatte es das OLG München auch so gemacht. Und nun macht das OLG München das Gegenteil: Die Erbin muss die Kosten tragen, weil das Gutachten ihre Rechtsposition stützt. Bzw. muss sie zahlen, weil sie ja das Geld erbt. Es lässt sich für jede beliebige Verteilung der Kosten eine Begründung finden. Das Gericht kann machen, was es will.

Übrigens ist es möglich, dass in dem Verfahren eine zweite Runde vor dem Zivilgerichten stattfindet, weil die Entscheidung im Erbscheinsverfahren nicht in Rechtskraft erwächst. Die Beschwerdeführer haben aber möglicherweise an einem anderen Teil der Kostenentscheidung zu knabbern. Ihnen wurden die Anwaltskosten der Gegenseite auferlegt. Bei einem Streitwert von 50 Millionen Euro berechnen sich diese so:

1,6 Verfahrensgebühr
(Ziffer 3200 VV RVG):
146.740,80 €
1,2 Terminsgebühr
(Ziffer 3202 VV RVG):
110.055,60 €
Auslagenpauschale
(Ziffer 7002 VV RVG):
20,00 €
Gesamt netto:

256.816,40 €
Umsatzsteuer:

48.795,12 €
Gesamtbetrag:

305.611,52 €

Und damit ist noch nicht gesagt, was mit den eigenen Kosten der Beschwerdeführer ist. Vielleicht wurde der Prozess aber ja auch von einem Prozessfinanzierer getragen. Wissen Sie mehr?

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