Donnerstag, 23. November 2023

Notarielles Nachlassverzeichnis - Notare wollen oder können nicht mehr

Ich habe noch keinen Notar getroffen, der gern ein notarielles Nachlassverzeichnis aufnimmt. Viele akzeptieren diese Pflicht aber und erfüllen sie, wenn auch meist nicht ganz so schnell. Und dann erhalte ich in letzter Zeit von allen Seiten Schriftstücke, die es nahelegen, dass viele Notare einfach keine Nachlassverzeichnisse mehr aufnehmen. Einige davon möchte ich hier teilen. Ich habe die Schreiben zeitlich sortiert.

Am 15.05.2023 erhielt ich das folgende Schreiben einer Kollegin:

Meine Mandanten haben sich ausgiebig bemüht, einen Notartermin vor
Ort oder in der Gegend zu erhalten. Herr ... hat zuletzt am 12.05.2023 mit Notar ... telefoniert, der ihm mitgeteilt hat, dass er wohl auch bei den anderen Notaren in der Region keinen Erfolg zur Vereinbarung eines solchen Termines haben wird. Die Notare sind alle überlastet und nehmen einen solchen Auftrag nicht an.
Insofern schlagen wir vor, dass Ihre Mandantin sich entweder um einen Notar bemüht und uns einen entsprechenden Notartermin vorschlägt oder dass sie Einsicht in die Unterlagen in unserer Kanzlei nimmt oder dass sie konkret ausführt, welche Unterlagen sie noch haben möchte.

Auf meine Weigerung, dies zu akzeptieren, fand die Kollegin immerhin eine Notarin und schrieb:

Wie ich Ihnen bereits mit Schreiben vom 15.05.2023 mitteilte, sind derzeit alle Notare in der Region überlastet. Gemäß beigeschlossener Mitteilung der Notarin ... ist demnach eine Bearbeitung erst ab dem 4. Quartal 2023 möglich.
Gegebenenfalls kennen Sie doch einen Notar, der sich der Sache annehmen würde und früher einen Termin hätte.
Ich nahm dies zum Anlass, am 07.06.2023 an die Sächsische Notarkammer zu schreiben:

Überlastung aller Notare?
Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei übersende ich Ihnen mit Zustimmung meiner Mandantin ein Schreiben aus einer Pflichtteilsangelegenheit. Danach sollten alle Notare in der Region überlastet sein. Ich bitte hierzu um Stellungnahme und ggf. Bestellung weiterer Notare.
Mit freundlichen Grüßen
Die Sächsische Notarkammer antwortete am 19.06.2023:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. Papenmeier,

in vorbezeichneter Angelegenheit bestätigen wir den Eingang Ihres
Schreibens vom 07.06.2023.

Zunächst möchten wir darauf hinweisen, dass die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses mit erheblichem Aufwand verbunden ist.
Daher ist selbst in einfach gelagerten Fällen ein zeitlicher Vorlauf von drei bis vier Monaten rechtlich nicht zu bestanden; im Regelfall ist sogar eine deutlich längere Bearbeitungsdauer zu gewähren (vgl. Weidlich in Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2314 Rn. 7 m.w.N.). Soweit Frau Notarin ... eine Bearbeitung ab dem 4. Quartal 2023 angekündigt hat, erscheint vor diesem Hintergrund eine rechtzeitige Erledigung durchaus möglich. Aus der uns übermittelten Korrespondenz ist insbesondere nicht ersichtlich, dass Frau Notarin ... eine Bearbeitung abgelehnt hat.

Sofern von einer Mandatierung von Frau Notarin ... dennoch abgesehen werden soll, steht es Ihnen bzw. den auskunftsverpflichteten Erben frei, einen der nachfolgend benannten, weiteren Notare mit Amtssitz im Amtsgerichtsbezirk ... zu beauftragen. Aus den eingereichten Unterlagen ist insoweit nicht ersichtlich, inwieweit überhaupt weitere Notare angefragt worden sind.  

Ihren Amtssitz im Amtsgerichtsbezirk ... haben [Liste der Notare]

Zuletzt möchten wir Sie darauf hinweisen, dass prinzipiell auch die Aufnahme durch einen
ortsfremden Notar in Frage kommt. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Vor-Ort-Termin in
... entbehrlich ist, entweder weil sich dort kein Nachlass des Erblassers befindet oder aber die Pflichtteilsberechtigten auf eine solche Aufnahme verzichten.

Eine sächsische Notarin schrieb ihrer Mandantin am 30.08.2023:

Unterlagen vom heutigen Tag

Sehr geehrte Frau ...,
mit liegen Ihre Unterlagen vor.
Nach Prüfung des Vorgangs und reiflicher Überlegung lehne ich den Auftrag hiermit ab.
Aufgrund geringer Mitarbeiterkapazität kann ich den Vorgang derzeit weder zeitnah noch korrekt bearbeiten.
Ich sende Ihnen Ihre Unterlagen zu meiner Entlastung wieder zurück.

Mit freundlichen Grüßen.

Notarin

Am 26.10.2023 schrieb ein sächsischer Notar einem Kollegen:

Sehr geehrter Herr Kollege ...,
im Zusammenhang mit Ihren Schreiben vom 6.10.2023 muss ich leider mitteilen, dass mit dem Beginn der Recherchen zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses aufgrund der sehr angespannten büropersonellen und terminlichen Situation in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Da bereits ein Nachlassverzeichnis in dieser Sache durch Frau Kollegin ... errichtet wurde und im dortigen Notariat somit eine gewisser Grundstock. an Informationen zu dem Vorgang vorhanden sein sollte, erschließt es sich dem Unterzeichner nicht ohne weiteres, warum nicht ein Nachtrag zum Nachlassverzeichnis von Frau Kollegin ... erstellt werden sollte. Dies gilt umso mehr, da der Erblasser nach Angabe bereits 2018 verstarb und zielführende Recherchen, die wieder bei "Null" beginnen müssten, schon wegen des zeitlichen Abstandes erfahrungsgemäß kaum zu erwarten stehen.
Die ungeprüfte Übernahme von Informationen verbietet sich insoweit, da ein Nachlassverzeichnis auf Recherchen des errichtenden Notars beruhen müssen. Die Recherchen der Kollegin ... könnten daher nicht ohne weiteres übernommen werden. Sollte ein Nachtrag durch Frau ... nicht möglich sein, rege ich an, einen Notarkollegen bzw. Notarkollegin mit derzeit geringerer Arbeitsbelastung zu beauftragen, um eine zeitnahe Erledigung zu ermöglichen.

Der Hintergrund ist ein Fall, in dem das erste notarielle Nachlassverzeichnis so schlecht war, dass ein neues erforderlich ist. Alle Anwälte sind sich einig, dass die erste Notarin nicht mehr damir befasst werden sollte.

Am 14.11.2023 erhielt ich das folgende Schreiben eines Notars auf die Anfrage, ob die Erbin ihn mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt hat:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. Papenmeier,

bezugnehmend auf Ihr Anfrage vom 09.11. 2023 teile ich Ihnen mit, dass ich krankheits- und arbeitsbedingt nicht in der Lage bin. den Auftrag anzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen

Notar

Wir haben also scheinbar einen untragbaren Zustand erreicht.

Nachtrag vom 06.12.2023:

Gerade erhielt ich ein Schreiben einer Kollegin aus Sachsen-Anhalt, bei der zwei Notare die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigert haben. Der eine Notar sagte telefonisch ab, da er den Auftrag aus Zeit- und Kapazitätsgründen nicht annehmen könne. Der andere Notar schrieb:

"Sehr geehrte Frau Kollegin ...,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage vom ....

Derzeit bin ich hier bereits mit der Aufnahme einer großen Anzahl von Nachlassverzeichnissen beauftragt, noch dazu mit einem sehr knappen Personalbestand. Die Bearbeitung von Nachlassverzeichnissen ist stets sehr aufwendig und beansprucht in erheblichem Maße Bearbeitungskapazitäten.

Daher kann ich Ihnen nicht zeitnah zur Bearbeitung Ihrer Anfrage zur Verfügung stehen und muss Ihnen zu meinem Bedauern und zugleich zu meiner Entlastung Ihre Anfrage zurückreichen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Notar"


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