Freitag, 10. Januar 2025

OLG München: Kein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Einsicht in die vom Notar auszuwertenden Unterlagen

Das Oberlandesgericht München erließ am 03.12.2024 einen beachtenswerten (wenn auch nicht unbedingt richtigen) Beschluss (33 W 1034/24 e). Danach hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch darauf, die Unterlagen zu sehen, die ein Notar bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses auswerten muss. Zudem befasste sich der Beschluss mit weiteren Fragen, die beim notariellen Nachlassverzeichnis immer wieder auftreten.

Montag, 30. Dezember 2024

OLG Hamm: Bestreiten der Echtheit eines Testaments unsubstantiiert

Das OLG Hamm führte in seinem Urteil vom 02.07.2024 - I-10 U 91/23, Rn. 43 - folgendes aus:

Soweit der Kläger die Echtheit der handschriftlich erstellten Testamente vom 05.12.2013
und 01.05.2015 in der Berufungsinstanz erstmals bestritten hat, war dieses Bestreiten unsubstantiiert und deshalb unerheblich.
Das neue Bestreiten hat der Kläger mit seinem Prozessverhalten in dem parallel geführten Verfahren vor dem Amtsgericht Essen (AZ: 158 VI 2108/17) begründet (Bd II, Bl. 92). Im Senatstermin wurde hierzu lediglich erklärt, dass der Grund in inhaltlichen Widersprüchlichkeiten der Testamente liege, die sich aus dem Vortrag der Gegenseite und der Beweisaufnahme vor dem Nachlassgericht ergeben hätten (vgl. Berichterstattervermerk, Bd II Bl. 249). Die nun behauptete Unechtheit konnte weder auf das Schriftbild, die dort befindlichen Unterschriften des Erblassers oder das sonstige Erscheinungsbild der testamentarischen Verfügungen gestützt werden. Vor dem weiteren Hintergrund der insoweit unauffällig erscheinenden handschriftlichen Verfügungen vom 05.12.2013 und vom 01.05.2015 ordnet der Senat deshalb dieses neue Bestreiten als substanzlos und damit als unerheblich ein.

Mir erscheint das sehr merkwürdig. Wer bei der Errichtung eines Testaments nicht dabei war, kann seine Echtheit mit Nichtwissen bestreiten. Das muss er nicht weiter begründen. Auch wenn ein Testament toll aussieht, kann es gefälscht sein. Dafür gibt es ja Schriftsachverständige und ihre Untersuchungsmethoden.

Eine andere Frage ist, ob das Bestreiten in der Berufungsinstanz noch zulässig war, weil es ggf. bereits in der ersten Instanz möglich gewesen wäre. Darauf hat das OLG Hamm sein Urteil jedoch nicht gestützt. So, wie es dort steht, ist es vermutlich falsch.

Mittwoch, 14. August 2024

Pflichtteilsvermeidung mit gGmbH?

Witzheller, ZErb 2024, 281 kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Pflichtteilsanspruch weitestgehend vermeiden lässt, indem der Erblasser sein Vermögen in eine gemeinnützige GmbH einbringt. Da die Gewinne in den gemeinnützigen Zweck fließen, sei die GmbH (fast) nichts wert. Wenn der Erbe die gGmbH danach wieder umwandle, müsse er zwar die steuerlichen Folgen tragen, aber der Pflichtteilsberechtigte würde leer ausgehen.

Geht das? Ich glaube nicht. Wenn der Erbe das Vermögen aus der gGmbH "herausholen" kann, dann dürfte dies zu einer entsprechend hohen Bewertung führen, aus der Pflichtteilsansprüche entstehen. Der Pflichtteilsanspruch ist verfassungsrechtlich geschützt und die Folge daraus ist, dass er nicht einfach ausgehebelt werden darf.

Ich bin mir sicher, dass die Durchsetzung dieser Ansprüche vor Gericht noch einmal ein ganz anderes Thema ist. Sie erfordert einen Pflichtteilsberechtigten, der bereit ist, ins Risiko zu gehen und Geld aufzuwenden, das er auch, wenn er gewinnt, erst Jahre später zurück erhält.

Sonntag, 28. Juli 2024

BGH zum notariellen Nachlassverzeichnis

Der BGH entschied am 19.06.2024, dass ein Notar die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht einfach verweigern darf, wenn es schwierig wird (BGH, Beschluss vom 19.06.2024 - IV ZB 13/23). Das ist nicht weiter überraschend. Im Bereich der notariellen Nachlassverzeichnisse gibt es jedoch zahlreiche ungeklärte Fragen, so dass es sich lohnt, den Beschluss des BGH näher zu betrachten.

Zunächst einmal  bestätigte der BGH seinen bisherigen Obersatz zum notariellen Nachlassverzeichnis:

"Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll danach eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten, weshalb der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen muss, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde"

Der Obersatz ist eher unpräzise. Welche Nachforschungen hält wohl ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich? Darüber werden wir uns in vielen weiteren Fällen vor den Oberlandesgerichten streiten. In der Tendenz ist die Nachforschungspflicht eher weiter als enger.

Weiterhin erklärte der BGH, wie der Notar mit Zweifeln umgehen soll, die er nicht aufklären kann:

"Stellt der Notar im Rahmen seiner Ermittlungspflicht die gebotenen Nachforschungen an und wirkt der Erbe - die Beschwerdeführerin - bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung im erforderlichen und ihr zumutbaren Umfang mit, berechtigen verbleibende Unklarheiten den Notar nicht zur Verweigerung der Amtstätigkeit. Vielmehr hat er den zugrundeliegenden Sachverhalt in das Verzeichnis aufzunehmen und seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen [...]. Nur so wird dem Zweck des § 2314 BGB, dem in Beweisnot befindlichen Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Kenntnisse zur Berechnung und Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 2020 - IV ZR 193/19, ZEV 2020, 625 Rn. 8), hinreichend Rechnung getragen. Andernfalls bestünde im Fall eines nicht aufgenommenen Verzeichnisses für den Pflichtteilsberechtigten die Gefahr, dass er seinen dem Grunde nach gegebenen Pflichtteilsanspruch der Höhe nach nicht beziffern und ihn damit faktisch nicht durchsetzen kann. Umgekehrt sähe sich der Erbe bei einem nicht erstellten Verzeichnis der Gefahr von Vollstreckungsmaßnahmen nach § 888 ZPO ausgesetzt."

 

Montag, 13. Mai 2024

LG Frankfurt: Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Stufenklage?

In einem laufenden Verfahren verwies die Gegenseite auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 29.05.2019 - 2-04 O 242/18. Dieses ist so falsch, dass ich darauf hier kurz eingehen möchte.

Der Pflichtteilsberechtigte erhob eine Stufenklage und forderte in der ersten Stufe ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein Notar war beauftragt, das Verzeichnis lag noch nicht vor. Das LG Frankfurt wies die Klage ab, da dem Pflichtteilsberechtigten das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Pflichtteilsberechtigte habe noch Auskünfte gefordert und daher sei das notarielle Nachlassverzeichnis noch nicht fertig. Das ist leider falsch.

Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn der Kläger einen einfacheren Weg hat, das gleiche Ziel zu erreichen. Mit der Klage erhält der Pflichtteilsberechtigte einen Titel, aus dem er vollstrecken kann. Zudem wird (mit der Stufenklage) die Verjährung recht zuverlässig gehemmt (mit Ausnahme der sechsmonatigen Untätigkeit nach § 204 Absatz 2 BGB). Anders als durch die Klage lässt sich dieses Ziel für den Pflichtteilsberechtigten nicht erreichen. Daher fehlt dieser Klage auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

Das Gericht hat auch etwas ganz anderes geprüft. Es hat geprüft, ob ein Anlass zur Klageerhebung bestand. Dafür gibt es im Gesetz eine Vorschrift, die das LG Frankfurt nicht erwähnt (oder nicht gefunden?) hat. Nach § 93 ZPO kann der Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis abgeben. Wenn er vorher keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, muss der Kläger die Kosten tragen. Dies ist eine angemessene Regelung. Der Kläger erhält seinen Titel in jedem Fall. Aber wenn er zu früh klagt, trägt er die Kosten.

Sonntag, 5. Mai 2024

BGH (1. Zivilsenat) zum notariellen Nachlassverzeichnis mit falschem Obersatz

Der Bundesgerichtshof erließ am 07.03.2024 einen Beschluss zum notariellen Nachlassverzeichnis (Az. I ZB 40/23). Dieser Beschluss stammt vom 1. Zivilsenat. Für das Erbrecht ist sonst der 4. Zivilsenat zuständig.

Eigentlich steht in dem Beschluss nicht viel drin:

  • Der Notar muss ohne Anlass nicht bei allen möglichen Banken anfragen, ob es dort Konten gibt.
  • Wenn im Vollstreckungstitel keine Auskunftspflicht zum fiktiven Nachlass drin steht, dann kann man diese auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erzwingen.

Und dann hat der BGH noch einen großen Bock geschossen, indem er seinen Beschluss auf einen fehlerhaften Obersatz gestellt hat. Auf das Ergebnis hatte das keine Auswirkungen. Da aber Juristen gern unbedarft Dinge abschreiben, wird sich das Unheil schnell verbreiten. Es geht um die Frage, wann ein notarielles Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich ist.

Falsch: Obersatz des BGH

Der BGH führte dazu aus (Rn. 34):

"bb) Liegt - wie hier - ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so ist die Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB erfüllt und der Pflichtteilsberechtigte kann grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen. Von diesem Grundsatz sind jedoch verschiedene Ausnahmen anerkannt (BGH, NJW 2020, 2187 [juris Rn. 10] mwN). So kann ein Anspruch auf Ergänzung beziehungsweise Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (dazu C II 4 c cc), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (dazu C II 4 c dd), oder wenn in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen - etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen - nicht aufgeführt ist und beispielsweise Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (dazu C II 4 c ee). Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass nach diesen Grundsätzen im Streitfall kein Anspruch auf Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses besteht."

Zusammengefasst steht dort, dass jedes notarielle Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich ist, wenn keine der drei Ausnahmen vorliegen, also

  • keine Ermittlungen des Notars,
  • keine Verschaffung zumutbaren Wissens durch den Erben oder
  • Fehlen einer unbestimmten Mehrheit von Nachlassgegenständen

Wo liegt das Problem? Was ist nun zum Beispiel, wenn der Notar ein Konto angibt, aber den Guthabenstand weglässt? Was ist, wenn bei einer Lebensversicherung der (nach der Rechtsprechung maßgebenliche) Rückkaufswert nicht angegeben wird? Was ist, wenn Goldmünzen als Sammelposten angegeben werden, ohne dass die Art und Anzahl benannt wird?

Nach dem Obersatz des BGH müsste in all diesen Fällen das Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich sein. Der Pflichtteilsberechtigte würde seine Auskunft nie erhalten und könnte seinen Anspruch nie beziffern. Das Verfahren über die eidesstattliche Versicherung hilft ihm dabei auch nicht.

Richtig: Formale Vollständigkeit

Der richtige Ansatz liegt hingegen in der Frage, ob das Nachlassverzeichnis von außen so aussieht, als ob es vollständig ist. Es muss also aus sich heraus so aussehen, als ob alle Fragen beantwortet sind, auf die es ankommt. Dann ist das Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich.

Wenn das Nachlassverzeichnis dann inhaltlich falsch sein sollte, liegt die Beweislast beim Pflichtteilsberechtigten. Kann er nachweisen, dass das Nachlassverzeichnis inhaltliche Fehler hat, kann er über einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB weitere Auskünfte verlangen.

Sonntag, 21. April 2024

Testamentsvollstreckervergütung - neue Rheinische Tabelle unangemessen?

Ein Testamentsvollstrecker erhält eine angemessene Vergütung, wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat (§ 2221 BGB). Darüber, was angemessen ist, lässt sich trefflich streiten. Daher haben verschiedene Autoren Tabellen erstellt. Die bekannteste Tabelle ist die Tabelle des Deutschen Notarvereins, die auch "neue Rheinische Tabelle" genannt wird. Bemerkenswert ist hierzu ein Aufsatz von Zimmermann, ErbR 2024, 250, in dem dieser im Detail darlegt, warum aus seiner Sicht die Vergütungsempfehlungen des Deutschen Notarvereins nicht zu einer angemessenen, sondern zu einer überhöhten Vergütung führen.

Der Deutsche Notarverein ist derzeit dabei, seine Vergütungsempfehlungen zu überarbeiten. Zugleich wird in der Literatur vermehrt eine zeitbasierte Vergütung empfohlen, wie sie zum Beispiel ein Nachlasspfleger erhält. Es bleibt damit abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung dazu positioniert.