Dienstag, 27. Februar 2024

Änderungen beim Verbraucherpreisindex ändern Ergebnisse im Erbrecht

Das statistische Bundesamt gibt Tabellen zum Verbraucherpreisindex heraus, die wir für die sogenannte Indexierung benötigen ( https://www.erbrecht-papenmeier.de/ratgeber/indexierung.php ). Dabei geht es darum, dass der Geldwertverfall herausgerechnet wird, wenn wir unseren Berechnungen Werte zugrunde legen.

Die bisherige Berichtsform wurde eingestellt und in anderer Form fortgesetzt ( https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Publikationen/Downloads-Verbraucherpreise/verbraucherpreisindex-lange-reihen-pdf-5611103.html ). Da ist noch nicht das Problem. Was aber unverständlich, wissenschaftlich unvernünftig und einfach nur ärgerlich ist, ist die Tasache, dass das statistische Bundesamt regelmäßig das Bezugsjahr ändert, auf das sich die Zahlen beziehen (zuletzt 2015 = 100, jetzt 2020 = 100). Dadurch ergeben sich rundungsbedingte Abweichungen. Dies wiederum führt dazu, dass alle Berechnungen aus der Vergangenheit falsch sind, wenn wir die neuen Zahlen zugrunde legen. Dabei kann sich bei einer Schenkung von 100.000 € eine Differenz von 100 € und mehr ergeben. 

Richtig wäre es, dass ein Bezugsjahr als 100 gesetzt wird und dies dann immer so bleibt. Dann werden zwar die Zahlen immer höher, aber das ist kein Problem. Stattdessen wird Zahlenkosmetik betrieben, wodurch zusätzliche Rechtsunsicherheit entsteht.

Donnerstag, 1. Februar 2024

OLG Oldenburg: Was ist "Barvermögen"?

Das OLG Oldenburg (Beschluss vom 20.12.2023 - 3 U 8/23) musste sich mit einem Vermächtnis über 1/3 des Barvermögens befassen. Die Frage ist: Was ist "Barvermögen"? Bargeld, Konten, Aktien, andere tolle Anlageformen? Dazu kommt es auf das Verständnis des Erblassers an. Dieses konnte aber nicht ermittelt werden.

Also greift der Jurist hilfsweise auf das allgemeine Wortverständnis zurück. Dieses besteht nach Ansicht des OLG Oldenburg darin, dass Barvermögen das Bargeld und alle "bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder" umfasst, nicht aber Wertpapiere. Wenn jemand auch die Wertpapiere meine, dann verwende er den Begriff "Kapitalvermögen". (Den verwendet in meinem Wahrnehmungsberich allerdings niemand.)

Was ist davon zu halten? Kann sein, muss nicht sein. Die Kritik besteht darin, dass das Gericht seine Überzeugung scheinbar nur aus seinem eigenen persönlichen Anschauungskreis bezieht, ohne auf sprachwissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen.

In der Testamentsgestaltung müssen Begriffe wie Barvermögen oder Geldvermögen immer näher erläutert werden. 


Mittwoch, 6. Dezember 2023

OLG Celle: Kein quotenloser Erbschein bei eindeutigen Erbquoten - und das fast ohne Begründung

Beim OLG Celle gibt es keinen quotenlosen Erbschein, wenn die Erbquoten eindeutig sind (OLG Celle, Beschluss vom 24.10.2023 - 6 W 116/23). Ob das so richtig ist, ist zweifelhaft.

Im Ausgangspunkt gilt § 352a Absatz 2 FamFG für dem Erbscheinsantrag:

"(2) In dem Antrag sind die Erben und ihre Erbteile anzugeben. Die Angabe der Erbteile ist nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten."

Diese Vorschrift hat zu dem Streit geführt, ob nur die Antragsteller auf die Angabe der Erbquoten verzichten müssen (was ja dort steht) oder alle Erben.

Das OLG Celle setzt jetzt noch einen drauf:

"1. Der Gesetzgeber hat die Ausnahmevorschrift des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG, wonach 'die Angabe der Erbteile … nicht erforderlich (ist), wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten', geschaffen, um eine einfache Erteilung eines Erbscheins zu ermöglichen, wenn die Bestimmung der Erbquoten mit weiterem Aufwand verbunden ist.
2. Diese Regelung findet nach ihrem Sinn und Zweck keine Anwendung, wenn der Erblasser eindeutige und zweifelsfreie Bestimmungen zu den Erbquoten getroffen hat, die ohne weiteres in den Erbscheinsantrag übernommen werden können, und kein Grund vorliegt, von der Angabe der Erbquote abzusehen."

Das war's. Mit diesen wenigen Zeilen will das OLG Celle begründen, warum eine vom Wortlaut her eindeutige gesetzliche Regelung nicht gelten soll. Das OLG Celle hat noch nicht einmal eine Fundstelle für den angeblichen Willen des Gesetzgebers angegeben. Schade ist so etwas immer für den Beschwerdeführer, der für eine ganze Leistung bezahlt, aber eine unvollständige Leistung erhält - und dann auch noch eine falsche.

Freitag, 1. Dezember 2023

Wert eines Erbteils mit 30% Abschlag? Fehlentscheidung des OLG Hamm vom 09.03.2023

Ist ein hälftiger Erbteil weniger Wert als die Hälfte der Nachlassgegenstände? Da ist eine Frage, auf die man erst einmal kommen muss. In vielen Fällen wird ganz selbstverständlich die Hälfte angesetzt.

Im Fall des OLG Hamm (Urteil vom 09.03.2023 - 10 U 25/22) war der Vater gestorben und ein Sohn machte seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Im Nachlass des Vaters befand sich ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer Immobilie. Die andere Immobilie hatte der Mutter gehört. Diese war vorher verstorben und vom Vater gesetzlich zu 1/2 und zwei Kindern zu je 1/4 beerbt worden. Die Immobilie war 340.000 € wert. Für die Pflichtteilsberechnung hätte man also 255.000 € ansetzen können (170.000 € Miteigentum und 85.000 € Anteil an der anderen Hälfte). So läuft das beim OLG Hamm aber nicht. Dort ist der Miteigentumsanteil nur 144.500 € wert (15% Abschlag). Der Erbteil ist sogar nur 59.500 € wert (30% Abschlag). Wie ist das möglich?

Unter Juristen ist schon länger umstritten, ob mehrere Anteile weniger wert sein können als das Ganze. Als Grund dafür wird angefürht, dass es Streit zwischen den verschiedenen Eigentümern geben kann, der zu weiteren Kosten oder Verlusten bei der Verwertung führt. Der BGH hat bisher nur entschieden, dass er das nicht mitmacht, wenn die Ehefrau die andere Hälfte von ihrem Mann erbt und somit Alleineigentümerin ist. Alle anderen Fälle sind offen.

Unabhängig davon, wie dieser Streit einmal ausgehen könnte, ist die Begründung des OLG Hamm in jedem Fall falsch. Dort heißt es:

"Diesen Abschlag von nur 15 % hält der Senat indessen für zu gering. Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch Übertragung des Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufs bestehen zwar nicht. Davon zu unterscheiden sind jedoch die tatsächlichen Verwertungsmöglichkeiten, d.h. wie die konkreten Möglichkeiten der Veräußerung eines Erbteils, der im Wesentlichen aus einem entsprechenden Anteil am Hausgrundstück besteht, einzuschätzen sind."
und an anderer Stelle:

"Die verbreitete Auffassung, der Erbschaftskauf an Dritte habe keine praktische Bedeutung (vgl. jurisPK-BGB/Hau § 2371 Rn. 8.; Münch-Komm-Musielak, BGB, § 2371 Rn. 15), trifft nach Einschätzung des Senats im vorliegenden Fall zu und spricht für die Vornahme eines erheblichen Abschlags."

Wo liegt der Fehler?  Die Verwertung eines Erbteils erfolgt typischerweise nicht durch Verkauf des Erbteils, sondern durch die Erbauseinandersetzung. Es ist daher falsch, wenn man danach fragt, für welchen Preis man den Erbteil wohl verkaufen könnte. Vielmehr hätte das OLG Hamm danach fragen müssen, welcher Erlös im Rahmen der Erbauseinandersetzung und Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft erzielt worden wäre. In den meisten Fällen wird das Hausgrundstück gemeinsam verkauft und der Erlös verteilt. Es bleiben dann keine 15% oder 30% übrig, die jemand anderes erhält. Daher hätte das OLG Hamm schon konkret begründen müssen, wieso dies hier anders sein soll - etwa weil es in jedem Fall eine Versteigerung gibt, die mit weiteren Kosten verbunden ist und ggf. nicht den Verkehrswert erzielt (was aber auch nicht immer der Fall ist).

Damit haben wir wieder eine Entscheidung, die doppelt bitter ist, zum einen für den Kläger, der verloren hat und zum anderen weil es weitere Gerichte geben wird, die das gedankenlos abschreiben.

Donnerstag, 23. November 2023

Notarielles Nachlassverzeichnis - Notare wollen oder können nicht mehr

Ich habe noch keinen Notar getroffen, der gern ein notarielles Nachlassverzeichnis aufnimmt. Viele akzeptieren diese Pflicht aber und erfüllen sie, wenn auch meist nicht ganz so schnell. Und dann erhalte ich in letzter Zeit von allen Seiten Schriftstücke, die es nahelegen, dass viele Notare einfach keine Nachlassverzeichnisse mehr aufnehmen. Einige davon möchte ich hier teilen. Ich habe die Schreiben zeitlich sortiert.

Montag, 6. November 2023

Aufsatz von Prof. Lange zu ChatGPT

In der Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge erschien ein Aufsatz von Prof. Dr. Lange zum Thema: "Pflichten des Erben bei angeordneter Testamentsvollstreckung - Was meint ChatGPT dazu?" Leider beantwortete er nicht nur die juristische Frage aus seinem Fachgebiet, sondern wollte wohl aufzeigen, wie dumm ChatGPT ist. Dabei unterliefen ihm leider schwere methodische Fehler.

1. Der Autor teilte mit, was er eingegeben hat und was ChatGPT als Antwort geliefert hat. Leider hat er die Eingabe nicht wiederholt. ChatGPT hat in der Standardeinstellung eine Zufallskomponente. Bei jeder Wiederholung der Eingabe kommt ein ganz anderes Ergebnis. Es genügt also nicht, ein Ergebnis mitzuteilen und sich daran "abzuarbeiten".

Der prompt lautete: "Wie sind die Rechte und Pflichten des Erben während der Testamentsvollstreckung geregelt und welche Möglichkeiten haben sie, sich gegen die Entscheidungen des Testamentsvollstreckers zur Wehr zu setzen?" - Bezieht sich diese Frage eigentlich auf deutsches Recht?

2. Der Autor wundert sich, dass ChatGPT den Inhalt eines Paragrafen falsch wiedergibt. Dieses Phänomen ist als Halluzination gut bekannt. Die Antworten von ChatGPT sollen nicht richtig sein, sie sollen gut klingen.

Die Fragen, was ChatGPT ist und wie intelligent etwas ist, was man gern als künstliche Intelligenz bezeichnet, liegt auf dem Gebiet der Informatik und hätte wohl auch dort aus beantwortet werden sollen.

Mittwoch, 23. August 2023

BGH: Keine Notarbeschwerde des Pflichtteilsberechtigten

Es ist für Pflichtteilsberechtigte im Moment unheimlich schwer, den Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis effektiv durchzusetzen, wenn der Notar nicht ordentlich arbeitet. Daher gab es die Idee, dass der Pflichtteilsberechtigte gegen einen Notar eine Beschwerde zum Landgericht einlegt, wenn dieser seine Tätigeit verweigert (§ 15 Absatz 2 BNotO). Diesen Weg hat der BGH mit dem Beschluss vom 19.07.2023 - IV ZB 31/22 - endgültig verschlossen. Der Pflichtteilsberechtigte sei nicht beschwerdebefugt und könne seine Ansprüche allein gegenüber dem Erben geltend machen. Damit muss im Vollstreckungsverfahren gegen den Erben geprüft werden, ob dieser eine Beschwerde gegen den Notar einlegen muss und ggf. ob er sie auch ordentlich begründet hat. Das macht die Fälle nicht einfacher.