Das Oberlandesgericht München erließ am 03.12.2024 einen beachtenswerten (wenn auch nicht unbedingt richtigen) Beschluss (33 W 1034/24 e). Danach hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch darauf, die Unterlagen zu sehen, die ein Notar bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses auswerten muss. Zudem befasste sich der Beschluss mit weiteren Fragen, die beim notariellen Nachlassverzeichnis immer wieder auftreten.
Freitag, 10. Januar 2025
Mittwoch, 14. August 2024
Pflichtteilsvermeidung mit gGmbH?
Witzheller, ZErb 2024, 281 kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Pflichtteilsanspruch weitestgehend vermeiden lässt, indem der Erblasser sein Vermögen in eine gemeinnützige GmbH einbringt. Da die Gewinne in den gemeinnützigen Zweck fließen, sei die GmbH (fast) nichts wert. Wenn der Erbe die gGmbH danach wieder umwandle, müsse er zwar die steuerlichen Folgen tragen, aber der Pflichtteilsberechtigte würde leer ausgehen.
Geht das? Ich glaube nicht. Wenn der Erbe das Vermögen aus der gGmbH "herausholen" kann, dann dürfte dies zu einer entsprechend hohen Bewertung führen, aus der Pflichtteilsansprüche entstehen. Der Pflichtteilsanspruch ist verfassungsrechtlich geschützt und die Folge daraus ist, dass er nicht einfach ausgehebelt werden darf.
Ich bin mir sicher, dass die Durchsetzung dieser Ansprüche vor Gericht noch einmal ein ganz anderes Thema ist. Sie erfordert einen Pflichtteilsberechtigten, der bereit ist, ins Risiko zu gehen und Geld aufzuwenden, das er auch, wenn er gewinnt, erst Jahre später zurück erhält.
Sonntag, 28. Juli 2024
BGH zum notariellen Nachlassverzeichnis
Der BGH entschied am 19.06.2024, dass ein Notar die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht einfach verweigern darf, wenn es schwierig wird (BGH, Beschluss vom 19.06.2024 - IV ZB 13/23). Das ist nicht weiter überraschend. Im Bereich der notariellen Nachlassverzeichnisse gibt es jedoch zahlreiche ungeklärte Fragen, so dass es sich lohnt, den Beschluss des BGH näher zu betrachten.
Zunächst einmal bestätigte der BGH seinen bisherigen Obersatz zum notariellen Nachlassverzeichnis:
"Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll danach eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten, weshalb der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen muss, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde"
Der Obersatz ist eher unpräzise. Welche Nachforschungen hält wohl ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich? Darüber werden wir uns in vielen weiteren Fällen vor den Oberlandesgerichten streiten. In der Tendenz ist die Nachforschungspflicht eher weiter als enger.
Weiterhin erklärte der BGH, wie der Notar mit Zweifeln umgehen soll, die er nicht aufklären kann:
"Stellt der Notar im Rahmen seiner Ermittlungspflicht die gebotenen Nachforschungen an und wirkt der Erbe - die Beschwerdeführerin - bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung im erforderlichen und ihr zumutbaren Umfang mit, berechtigen verbleibende Unklarheiten den Notar nicht zur Verweigerung der Amtstätigkeit. Vielmehr hat er den zugrundeliegenden Sachverhalt in das Verzeichnis aufzunehmen und seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen [...]. Nur so wird dem Zweck des § 2314 BGB, dem in Beweisnot befindlichen Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Kenntnisse zur Berechnung und Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 2020 - IV ZR 193/19, ZEV 2020, 625 Rn. 8), hinreichend Rechnung getragen. Andernfalls bestünde im Fall eines nicht aufgenommenen Verzeichnisses für den Pflichtteilsberechtigten die Gefahr, dass er seinen dem Grunde nach gegebenen Pflichtteilsanspruch der Höhe nach nicht beziffern und ihn damit faktisch nicht durchsetzen kann. Umgekehrt sähe sich der Erbe bei einem nicht erstellten Verzeichnis der Gefahr von Vollstreckungsmaßnahmen nach § 888 ZPO ausgesetzt."
Montag, 13. Mai 2024
LG Frankfurt: Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Stufenklage?
In einem laufenden Verfahren verwies die Gegenseite auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 29.05.2019 - 2-04 O 242/18. Dieses ist so falsch, dass ich darauf hier kurz eingehen möchte.
Der Pflichtteilsberechtigte erhob eine Stufenklage und forderte in der ersten Stufe ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein Notar war beauftragt, das Verzeichnis lag noch nicht vor. Das LG Frankfurt wies die Klage ab, da dem Pflichtteilsberechtigten das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Pflichtteilsberechtigte habe noch Auskünfte gefordert und daher sei das notarielle Nachlassverzeichnis noch nicht fertig. Das ist leider falsch.
Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn der Kläger einen einfacheren Weg hat, das gleiche Ziel zu erreichen. Mit der Klage erhält der Pflichtteilsberechtigte einen Titel, aus dem er vollstrecken kann. Zudem wird (mit der Stufenklage) die Verjährung recht zuverlässig gehemmt (mit Ausnahme der sechsmonatigen Untätigkeit nach § 204 Absatz 2 BGB). Anders als durch die Klage lässt sich dieses Ziel für den Pflichtteilsberechtigten nicht erreichen. Daher fehlt dieser Klage auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Das Gericht hat auch etwas ganz anderes geprüft. Es hat geprüft, ob ein Anlass zur Klageerhebung bestand. Dafür gibt es im Gesetz eine Vorschrift, die das LG Frankfurt nicht erwähnt (oder nicht gefunden?) hat. Nach § 93 ZPO kann der Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis abgeben. Wenn er vorher keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, muss der Kläger die Kosten tragen. Dies ist eine angemessene Regelung. Der Kläger erhält seinen Titel in jedem Fall. Aber wenn er zu früh klagt, trägt er die Kosten.
Sonntag, 5. Mai 2024
BGH (1. Zivilsenat) zum notariellen Nachlassverzeichnis mit falschem Obersatz
Der Bundesgerichtshof erließ am 07.03.2024 einen Beschluss zum notariellen Nachlassverzeichnis (Az. I ZB 40/23). Dieser Beschluss stammt vom 1. Zivilsenat. Für das Erbrecht ist sonst der 4. Zivilsenat zuständig.
Eigentlich steht in dem Beschluss nicht viel drin:
- Der Notar muss ohne Anlass nicht bei allen möglichen Banken anfragen, ob es dort Konten gibt.
- Wenn im Vollstreckungstitel keine Auskunftspflicht zum fiktiven Nachlass drin steht, dann kann man diese auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erzwingen.
Und dann hat der BGH noch einen großen Bock geschossen, indem er seinen Beschluss auf einen fehlerhaften Obersatz gestellt hat. Auf das Ergebnis hatte das keine Auswirkungen. Da aber Juristen gern unbedarft Dinge abschreiben, wird sich das Unheil schnell verbreiten. Es geht um die Frage, wann ein notarielles Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich ist.
Falsch: Obersatz des BGH
Der BGH führte dazu aus (Rn. 34):
"bb) Liegt - wie hier - ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so ist die Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB erfüllt und der Pflichtteilsberechtigte kann grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen. Von diesem Grundsatz sind jedoch verschiedene Ausnahmen anerkannt (BGH, NJW 2020, 2187 [juris Rn. 10] mwN). So kann ein Anspruch auf Ergänzung beziehungsweise Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (dazu C II 4 c cc), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (dazu C II 4 c dd), oder wenn in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen - etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen - nicht aufgeführt ist und beispielsweise Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (dazu C II 4 c ee). Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass nach diesen Grundsätzen im Streitfall kein Anspruch auf Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses besteht."
Zusammengefasst steht dort, dass jedes notarielle Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich ist, wenn keine der drei Ausnahmen vorliegen, also
- keine Ermittlungen des Notars,
- keine Verschaffung zumutbaren Wissens durch den Erben oder
- Fehlen einer unbestimmten Mehrheit von Nachlassgegenständen
Wo liegt das Problem? Was ist nun zum Beispiel, wenn der Notar ein Konto angibt, aber den Guthabenstand weglässt? Was ist, wenn bei einer Lebensversicherung der (nach der Rechtsprechung maßgebenliche) Rückkaufswert nicht angegeben wird? Was ist, wenn Goldmünzen als Sammelposten angegeben werden, ohne dass die Art und Anzahl benannt wird?
Nach dem Obersatz des BGH müsste in all diesen Fällen das Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich sein. Der Pflichtteilsberechtigte würde seine Auskunft nie erhalten und könnte seinen Anspruch nie beziffern. Das Verfahren über die eidesstattliche Versicherung hilft ihm dabei auch nicht.
Richtig: Formale Vollständigkeit
Der richtige Ansatz liegt hingegen in der Frage, ob das Nachlassverzeichnis von außen so aussieht, als ob es vollständig ist. Es muss also aus sich heraus so aussehen, als ob alle Fragen beantwortet sind, auf die es ankommt. Dann ist das Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich.
Wenn das Nachlassverzeichnis dann inhaltlich falsch sein sollte, liegt die Beweislast beim Pflichtteilsberechtigten. Kann er nachweisen, dass das Nachlassverzeichnis inhaltliche Fehler hat, kann er über einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB weitere Auskünfte verlangen.
Freitag, 1. Dezember 2023
Wert eines Erbteils mit 30% Abschlag? Fehlentscheidung des OLG Hamm vom 09.03.2023
Ist ein hälftiger Erbteil weniger Wert als die Hälfte der Nachlassgegenstände? Da ist eine Frage, auf die man erst einmal kommen muss. In vielen Fällen wird ganz selbstverständlich die Hälfte angesetzt.
Im Fall des OLG Hamm (Urteil vom 09.03.2023 - 10 U 25/22) war der Vater gestorben und ein Sohn machte seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Im Nachlass des Vaters befand sich ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer Immobilie. Die andere Immobilie hatte der Mutter gehört. Diese war vorher verstorben und vom Vater gesetzlich zu 1/2 und zwei Kindern zu je 1/4 beerbt worden. Die Immobilie war 340.000 € wert. Für die Pflichtteilsberechnung hätte man also 255.000 € ansetzen können (170.000 € Miteigentum und 85.000 € Anteil an der anderen Hälfte). So läuft das beim OLG Hamm aber nicht. Dort ist der Miteigentumsanteil nur 144.500 € wert (15% Abschlag). Der Erbteil ist sogar nur 59.500 € wert (30% Abschlag). Wie ist das möglich?
Unter Juristen ist schon länger umstritten, ob mehrere Anteile weniger wert sein können als das Ganze. Als Grund dafür wird angefürht, dass es Streit zwischen den verschiedenen Eigentümern geben kann, der zu weiteren Kosten oder Verlusten bei der Verwertung führt. Der BGH hat bisher nur entschieden, dass er das nicht mitmacht, wenn die Ehefrau die andere Hälfte von ihrem Mann erbt und somit Alleineigentümerin ist. Alle anderen Fälle sind offen.
Unabhängig davon, wie dieser Streit einmal ausgehen könnte, ist die Begründung des OLG Hamm in jedem Fall falsch. Dort heißt es:
"Diesen Abschlag von nur 15 % hält der Senat indessen für zu gering. Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch Übertragung des Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufs bestehen zwar nicht. Davon zu unterscheiden sind jedoch die tatsächlichen Verwertungsmöglichkeiten, d.h. wie die konkreten Möglichkeiten der Veräußerung eines Erbteils, der im Wesentlichen aus einem entsprechenden Anteil am Hausgrundstück besteht, einzuschätzen sind."und an anderer Stelle:
"Die verbreitete Auffassung, der Erbschaftskauf an Dritte habe keine praktische Bedeutung (vgl. jurisPK-BGB/Hau § 2371 Rn. 8.; Münch-Komm-Musielak, BGB, § 2371 Rn. 15), trifft nach Einschätzung des Senats im vorliegenden Fall zu und spricht für die Vornahme eines erheblichen Abschlags."
Wo liegt der Fehler? Die Verwertung eines Erbteils erfolgt typischerweise nicht durch Verkauf des Erbteils, sondern durch die Erbauseinandersetzung. Es ist daher falsch, wenn man danach fragt, für welchen Preis man den Erbteil wohl verkaufen könnte. Vielmehr hätte das OLG Hamm danach fragen müssen, welcher Erlös im Rahmen der Erbauseinandersetzung und Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft erzielt worden wäre. In den meisten Fällen wird das Hausgrundstück gemeinsam verkauft und der Erlös verteilt. Es bleiben dann keine 15% oder 30% übrig, die jemand anderes erhält. Daher hätte das OLG Hamm schon konkret begründen müssen, wieso dies hier anders sein soll - etwa weil es in jedem Fall eine Versteigerung gibt, die mit weiteren Kosten verbunden ist und ggf. nicht den Verkehrswert erzielt (was aber auch nicht immer der Fall ist).
Damit haben wir wieder eine Entscheidung, die doppelt bitter ist, zum einen für den Kläger, der verloren hat und zum anderen weil es weitere Gerichte geben wird, die das gedankenlos abschreiben.
Donnerstag, 23. November 2023
Notarielles Nachlassverzeichnis - Notare wollen oder können nicht mehr
Ich habe noch keinen Notar getroffen, der gern ein notarielles Nachlassverzeichnis aufnimmt. Viele akzeptieren diese Pflicht aber und erfüllen sie, wenn auch meist nicht ganz so schnell. Und dann erhalte ich in letzter Zeit von allen Seiten Schriftstücke, die es nahelegen, dass viele Notare einfach keine Nachlassverzeichnisse mehr aufnehmen. Einige davon möchte ich hier teilen. Ich habe die Schreiben zeitlich sortiert.
Mittwoch, 23. August 2023
BGH: Keine Notarbeschwerde des Pflichtteilsberechtigten
Es ist für Pflichtteilsberechtigte im Moment unheimlich schwer, den Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis effektiv durchzusetzen, wenn der Notar nicht ordentlich arbeitet. Daher gab es die Idee, dass der Pflichtteilsberechtigte gegen einen Notar eine Beschwerde zum Landgericht einlegt, wenn dieser seine Tätigeit verweigert (§ 15 Absatz 2 BNotO). Diesen Weg hat der BGH mit dem Beschluss vom 19.07.2023 - IV ZB 31/22 - endgültig verschlossen. Der Pflichtteilsberechtigte sei nicht beschwerdebefugt und könne seine Ansprüche allein gegenüber dem Erben geltend machen. Damit muss im Vollstreckungsverfahren gegen den Erben geprüft werden, ob dieser eine Beschwerde gegen den Notar einlegen muss und ggf. ob er sie auch ordentlich begründet hat. Das macht die Fälle nicht einfacher.
Mittwoch, 7. September 2022
BGH: Kein Pflichtteilsausschluss durch Wahl englischen Rechts
Kann der Erbe den Pflichtteilsanspruch ausschließen, indem er für seine Nachfolge ein Recht wählt, das keinen Pflichtteilsanspruch kennt? Im Streitfall lebte ein britischer Staatsangehöriger in Deutschland und hatte dort sein Vermögen und Kind. Er wählte aber im Testament das englische Recht.
Nein, das geht nicht. Dies entschied der BGH im Urteil vom 29.06.2022 - IV ZR 110/21. Die EU-Erbrechtsverordnung sieht in Art. 35 vor, dass jeder Staat das ausländische Recht nicht anwenden muss, wenn es gegen seine öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt. Dazu gehört bei uns vor allem das Grundgesetz. Der Pflichtteilsanspruch ist im Rahmen der Erbrechtsgarantie verfassungsrechtlich geschützt. Daher klappte der Trick des Erblassers nicht und es gab trotzdem einen Pflichtteil.
Donnerstag, 7. April 2022
Pflichtteil - Schätzung des Ortsgerichts ausreichend
Das OLG Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 08.12.2021 - 12 U 110/21, dass der Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten auch durch ein Gutachten des Ortsgerichts in Hessen erfüllt werden kann. Dabei stellte das OLG Frankfurt die Tatsachenbehauptung auf, dass die Mitglieder des Ortsgerichts über eine besondere Sachkunde für Grundstücksbewertungen verfügen. Wer so ein Gutachten schon einmal gesehen hat, fragt sich, ob das wohl stimmen kann.
Lesenswert ist dazu nun eine Anmerkung von Oster, ErbR 2022, 162. Dieser legt dar, dass die Mitglieder des Ortsgerichts keine Ahnung von Grundstücksbewertungen haben müssen und diese oft auch nicht haben.
Freitag, 23. Juli 2021
OLG Hamm zur Sichtung der Kontoauszüge durch den Notar
Das OLG Hamm (Beschluss vom 09.03.2021 - I-10 U 90/20) gibt uns einen weiteren Baustein bei der Sichtung der Kontoauszüge durch den Notar. Der Notar soll die Kontoauszüge der letzten 10 Jahre sichten und die Verfügungen zusammenstellen, die einen bestimmten Betrag übersteigen und möglicherweise Schenkungen darstellen können.
Wenn wir jetzt noch wüssten, was ein "bestimmter Betrag" ist, wären wir wieder ein ganzes Stück weiter.
Dienstag, 29. Juni 2021
BGH: Grabpflegekosten sind keine Beerdigungskosten
Nach § 1968 BGB muss der Erbe die Beerdigungskosten tragen. Bis zu einem bestimmten Punkt bestand Einigkeit, dass Grabpflegekosten nicht unter diese Vorschrift fallen, weil sie keine Beerdigungskosten sind. Dann gab es eine "erstarkende Mindermeinung" und Instanzgerichte, die das Gegenteil entschieden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung setzte sich diese Auffassung nicht durch.
Das Thema ist nun mit dem Urteil des BGH vom 26.05.2021 - IV ZR 174/20 erledigt. Grabpflegekosten sind weiterhin keine Beerdigungskosten.
Das hat die praktische Folge, dass die Grabpflegekosten bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht abgezogen werden können.
Donnerstag, 4. Februar 2021
BGH: Gibt es bei nachweislich falschen Auskünften einen Auskunftsanspruch? (ja)
Es gibt im Gesetz viele verschiedene Auskunftsansprüche, bei denen ein Bestandsverzeichnis oder eine Rechnungslegung erstellt werden muss. Häufige Beispiele sind das Nachlassverzeichnis für den Pflichtteilsberechtigten oder die Rechnungslegung des Vorsorgebevollmächtigten. Nach der ständigen Rechtsprechung sind diese Auskünfte bereits dann erfüllt, wenn der Verpflichtete eine formell ordnungsgemäße Auskunft vorlegt. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob diese Auskunft auch richtig ist.
Was gilt nun aber, wenn die Auskunft nachweislich falsch ist? Damit befasste sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 03.09.2020 - III ZR 136/18. Inhaltlich ging es um Tonbandaufnahmen eines ehemaligen Bundeskanzlers. Die Aussagen gelten aber in vielen anderen Fällen genauso.
Es bleibt dabei, dass der Auskunftsanspruch erfüllt ist, wenn die Auskunft so aussieht, als ob sie vollständig ist. Wenn der Vorsorgebevollmächtigte zum Beispiel behauptet, er habe kein Geld abgehoben, dann ist der Auskunftsanspruch erfüllt. Wenn es an der Richtigkeit der Auskünfte Zweifel gibt, muss unter Umständen eine eidesstattliche Versicherung abgegeben werden. Diese hilft in der Praxis aber fast nie weiter.
Und nun geht der Bundesgerichtshof einen Schritt weiter. Die falsche Auskunft führt zu einem Schadensersatzanspruch, wenn sie der Verpflichtete zu vertreten hat. Der Schadensersatzanspruch wiederum führt zu einem vorbereitenden Auskunftsanspruch. Im Ergebnis besteht der Auskunftsanspruch daher mit anderer Begründung weiter, wenn die Auskünfte nachweislich falsch sind. Die Gerichte können daher nicht mehr - wie bisher üblich - Beweisangebote beiseite schieben, die belegen, dass die erteilten Auskünfte falsch sind.
Samstag, 12. Oktober 2019
Kann ein Richter vor seiner Pensionierung machen, was er will?
Dienstag, 11. Dezember 2018
BGH zur Verjährung des Anspruchs auf ein notarielles Nachlassverzeichnis
Wir hatten das Thema hier schon einmal.
Dienstag, 20. November 2018
Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten bei Befragung des Erben durch Notar
Inhaltlich ging es um zwei wichtige Fragen:
1. Muss der Notar den Erben persönlich befragen? und
2. Darf der Pflichtteilsberechtigte dabei anwesend sein?
Der Notar beantwortete die erste Frage mit einem (in der Regel) ja und die zweite Frage gar nicht, im Ergebnis aber mit nein.
Donnerstag, 29. März 2018
Pflichtteilsergänzung aus Zinsanteil bei gemeinsamem Darlehen
Was ist nun aber mit den gezahlten Zinsen? Wenn ein Ehegatte das Darlehen allein abzahlt, zahlt er ja nicht nur die Tilgungen, denen der Wert des Hauses gegenübersteht. Er zahlt auch Zinsen. Dieses Geld ist dann weg, ohne dass ein Gegenwert verbleibt.
Donnerstag, 22. März 2018
Rechtsfehler in Ku'damm 59
Der Pflichteilsanspruch ist ein Geldanspruch! Der Pflichtteilsberechtigte erhält nach § 2303 Absatz 1 Satz 2 BGB die "Hälfte des Wertes" des gesetzlichen Erbteils. Die Hälfte des Wertes bedeutet Geld und nicht die Hälfte der Aktien.
Für alles weitere möchte ich auf meinen Ratgeber zum Pflichtteilsrecht verweisen.
Montag, 12. März 2018
Anerkenntnis verhindert Verjährung des Pflichtteils
Die Kernaussausge des OLG Frankfurt: Das Anerkenntnis des Pflichtteilsanspruchs dem Grunde nach führt zu einem Neubeginn der Verjährung im Hinblick auf den gesamten Anspruch, auch wenn in der Höhe Einwendungen bestehen. Das ergibt sich aus § 212 Absatz 1 Nr. 1 BGB:
§ 212 BGB Neubeginn der VerjährungBei näherer Betrachtung ist jedoch fraglich, ob im Fall des OLG Frankfurt wirklich ein Anerkenntnis der Erbin vorlag.
(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn
1. der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder ...