Das Amtsgericht Eilenburg vertrat die Auffassung, dass bei der Anfechtung einer Erbausschlagung nur die Umstände herangezogen werden dürften, die sich aus der Erbausschlagungserklärung selbst ergeben. Das schlussfolgerte das Amtsgericht Eilenburg daraus, dass die Erbausschlagung eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung sei. Zutreffend ist, dass die Ausschlagung einer Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden muss (§ 1945 Absatz 1 Satz 1 BGB). Bei der Ausschlagung einer Erbschaft müssen jedoch keine Gründe angegeben werden. Nach der Ansicht des Amtsgerichts Eilenburg wäre die Anfechtung der Erbausschlagung wegen eines Irrtums daher nie möglich. Sie ist jedoch in § 1954 BGB und § 1955 BGB ausdrücklich vorgesehen.
AMTSGERICHT EILENBURG vom 20.11.2008
Geschäftsnummer: VI 0364/06Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Eilenburg erlässt in der Nachlasssache
R..., geb. am ..., gestorben am ..., zuletzt wohnhaft ...
am 20.11.2008 folgenden Beschluss
1. Die Erteilung des Erbscheines Bl. 122 d.A. wird bewilligt. (Hilfsantrag)
2. Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheines nach dem am ... mit letzten Wohnsitz in ... verstorbenen Bruder Herrn R..., geboren am ... als Alleinerbe aufgrund notariellen Testaments vom ... Urkundennummer ... wird z u r ü c k g e w i e s e n . (Hauptantrag)
3. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Hauptsacheantrages.
Gründe:
Mit notarieller Urkunde des Herrn Notar ... vom ..., Urkundennummer ... verfügte Herr W..., geb. am
..., wh. ..., dass sein Bruder, R..., geb. am ..., wh. ebenda als Alleinerbe seines gesamten Nachlasses eingesetzt wird. Ersatzerbe ist sein Bruder, Herr Re..., geb. am ..., wh. in ...
Mit weiterer notarieller Urkunde des Notars ..., Urkundenrollennummer ... erschien Herr R..., geboren am ..., wh. ... und verfügte testamentarisch zu seinem alleinigen Erben des gesamten Nachlasses seinen Bruder, Herrn W..., geb. ..., wh. ebenda, und zwar als Vorerbe. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Als Nacherbe bestimmte er Herrn Re..., geb. am ..., wh. ... . Am 16.02.2006 verstarb Herr R..., am 06.01.2007 Herr W... sowie schließlich am 02.08.2008 Herr Re... . In der notariellen Urkunde des Notars ... Urkundennummer ... erklärte Herr Re... am 14.02.2007 vor dem Notar, dass er die ihm angefallene Erbschaft "aus allen Berufungsgründen“, d. h.aus testamentarischen und gesetzlichen Gründen ausschlägt. Herr Re... wurde von dem Notar auf die Rechtsfolgen dieser Erklärung hingewiesen. In der weiteren Folge schlugen auch die Ersatznacherben die Erbschaft aus.
Nach anwaltlicher Beratung lies Herr Re... von Herrn Notar ... mit der Urkundenrolle Nr.... für das Jahr ... am 18.02.2008 aufnehmen, dass er zum einen als Alleinerbe des gesamten Nachlasses einen Erbschein nach seinem am 16.02.2006 mit Wohnsitz ... verstorbenen Bruder Herrn R..., geb. am ... aufgrund Testamentes beantragt. Zum anderen verwies er in dieser Urkunde auf die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung vom 14.02.2007 zur Urkundennummer ... als Erklärung vom 18.02.2008, die dieser Urkunde beigefügt wurde. Inhaltlich führte er zu der Ausschlagung der Anfechtung aus, dass am 14.02.2007 (UR-Nr. ... des Notars ...) bereits die als in der Urkunde Ersatzerben berufenen Abkömmlinge ankündigten, die Erbschaft ebenfalls auszuschlagen, was diese sodann am 10.03.2007 (UR-Nr. 190/2007) des Notars ... auch taten. Weiter führte er aus, er sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass hierdurch die Tochter seines Bruders W..., Frau H..., als gesetzliche Erbin berufen werde. Dieser Rechtsansicht habe er auch in der Erbausschlagungsurkunde vom 14.02.2007 zum Ausdruck gebracht. Am heutigen Tage habe ihm sein Rechtsanwalt darüber aufgeklärt, dass aufgrund der Erbausschlagungen sein verstorbener Bruder W... nach § 2142 Abs. 2 BGB rückwirkend vom Vorerben zum Vollerben wurde. Da er der Alleinerbe seines Bruders W... sei, falle ihm damit der Nachlass des R... wieder zu, nur dieses Mal als Bestandteil des Nachlasses seines Bruders W... . Hätte er dies bei Abgabe der Erbausschlagungserklärung gewußt, so hätte er das Erbe nach seinem Bruder R... nicht ausgeschlagen, weil nun die Ausschlagung allein den Effekt habe, dass der Nachlass mit höheren Pflichtteilsansprüchen belastet sei. Er sei einem Rechtsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 1. Alternative BGB unterlegen und zur Anfechtung berechtigt.
Das Gericht hat Herrn Re... am 28.05.2008 zur o. g. Ausschlagung angehört (vergleiche Bl. 99 ff. d. A.). Sein Prozessbevollmächtigter führte aus, dass die entscheidende Frage sei: Was ist mit der Anfechtung der Ausschlagung? Sein Mandant glaubte, dass die Abrißkosten den Grundstückswert überstiegen und nicht wußte, dass er das Hausgrundstück auch dann erhält, wenn er die Erbschaft ausschlägt.
Die nach den §§ 1954, 1955, 1945 BGB form- und fristgerecht erklärte Anfechtung der Ausschlagungserklärung greift nicht durch, da ein Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 1. Alternative BGB nicht zu erkennen ist. Bei der Erklärung einer Erbausschlagung handelt es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, bei deren Auslegung es auf den für die Nachlassbeteiligten erkennbaren Sinn der Erklärung ankommt. Dabei ist zunächst der wörtliche Inhalt der Ausschlagungserklärung als solcher zu betrachten. Umstände, die nicht aus der Urkunde ersichtlich und nicht allgemein bekannt sind, dürften daher nicht zur Auslegung herangezogen werden. Der Antragsteller macht nun einen Irrtum hinsichtlich der Überschuldung des Nachlasses geltend, von der er bei der Ausschlagung ausgegangen sei.
Die Überschuldung des Nachlasses könne eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sein, so dass der Irrtum hierüber der Anfechtung einer Annahme- oder Ausschlagungserklärung nach dieser Vorschrift berechtigen könne. Ein Anfechtungsgrund sei aber nur dann gegeben, wenn der Irrtum bezüglich der Übeschuldung des Nachlasses auf unrichtigen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses hinsichtlich des Bestandes an Aktiva und Passiva beruht. Die Ausschlagungserklärung in der betreffenden notariellen Urkunde des Notar ... bezog sich auf alle Berufungsgründe, d. h. aus testamentarischen und gesetzlichen Gründen.
Es wurde kein Wort in dieser Urkunde über die Höhe oder den Wert des Nachlasses verloren. Für eine andere Auslegung gibt die Urkunde auch keinen Anhaltspunkt. Auch der wörtliche Hinweis, dass "die Tochter des Herrn W..., Frau H..., als Tochter des Herrn W... erwähnt wird, (vgl. Seite 2 der not. Urkunde) wird weiter ausgeführt, dass diese noch Pflichtteilsergänzungsansprüche hat, deren Geltungmachung jedoch ungewiß ist". Mit keinem Wort wird notariell beurkundet, dass sie “als gesetzliche Erbin berufen wäre".
Die Ausschlagung ist auch deshalb nicht anfechtbar im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB im Sinne eines Inhaltsirrtum, weil die Ausschlagungserklärung unmittelbar gem. § 2142 Abs. 2 BGB eintreten ist, quasi “ex lege“. Der Ausschlagende bzw. Anfechtende geht davon aus, dass er Alleinerbe seiner Brüder wurde, was auch tatsächlich der Fall war. Nicht bedacht worden war aber, dass sich als ungewollte Folge der Ausschlagung der entsprechende Pflichtteilsanspruch der Frau H... erhöhte vgl. §§ 1953, 2303 BGB. Insoweit irrte der Anfechtende über die Rechtsfolgen seiner unbedingt gewollten Ausschlagungserklärung, nämlich dass die Tochter von W... keine gesetzliche Erbin wird. Ein denkbarer Inhaltsirrtum liegt dann vor, wenn der Erbe über den Inhalt seiner Erklärung irrt. Hier war dem Anfechtenden aber bewusst, dass er die Erbschaft ausschlug. Der Irrtum über die Rechtsfolgen einer Erklärung wird nur dann einem Inhaltsirrtum gleichgestellt, wenn das Rechtsgeschäft nicht die erstrebten, sondern davon wesentlich verschiedene Rechtsfolgen erzeugt. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher Rechtswirkung, die zu den gewollten Folgen “ex lege" also kraft Gesetzes hinzutreten ist daher kein Inhaltsirrtum, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum. Gewollte Folge der Erbausschlagung war das Ausscheiden der Tochter von W..., verbunden mit der sich daraus ergebenden Einerbenstellung des Antragstellers. Dies ist - wie bereits dargelegt - erreicht worden, nicht bedacht wurde dabei aber, wie sich aus §§ 1953, 2303 BGB ergibt die entsprechende Erhöhung des Pflichtteilsanspruchs. Es liegt ein unbeachtlicher Inhaltsirrtum über eine ex lege eingetretene Rechtsfolge vor, der nicht zur Anfechtung berechtigt, (vergleiche insoweit OLG 1998 FAMRZ S. 771 f).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a FGG.
Gegenstandswert: ... Euro
Tuschen
Richter am Amtsgericht
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