Montag, 14. Oktober 2013

LG Gießen: Konto der Erbengemeinschaft bei Vermietung

Nach der Ansicht des Landgerichts Gießen hat ein Miterbe Anspruch auf Einrichtung eines Kontos der Erbengemeinschaft, über das er allein verfügen kann, wenn die Erbengemeinschaft eine Immobilie vermietet und sich die Erben genug gestritten haben (LG Gießen, Urteil vom 12.12.2012 - 1 S 384/11).

Im Urteil des Landgerichts Gießen vom 12.12.2012 bestand eine Erbengemeinschaft, die mindestens eine Immobilie vermietete. Ein Erbe hatte die Mehrheit, der andere nur eine Minderheit. Die beiden Erben hatten sich bereits mehrfach über verschiedene Fragen gestritten, teilweise durch mehrere Instanzen. Nun ging es unter anderem um zwei Fragen:
  1. Kann der Mehrheitserbe vom Minderheitserben verlangen, dass er an der Eröffnung eines Kontos für die Erbengemeinschaft mitwirkt? Das Konto sollte als Haben-Konto geführt werden. Der Minderheitserbe musste zustimmen und sich bei der Bank durch Vorlage seines Ausweises legitimieren.
  2. Kann der Mehrheitserbe verlangen, dass der Minderheitserbe zustimmt, dass der Mehrheitserbe allein über das Konto verfügen kann?
Das Landgericht Gießen bejahte beide Fragen. Die erste wohl zutreffend, die zweite hingegen fehlerhaft.

Konto der Erbengemeinschaft
Das Landgericht Gießen sah die Eröffnung eines Guthabenkontos der Erbengemeinschaft als eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses an. Das Konto sollte hauptsächlich als Vermieterkonto dienen. Es ist durchaus üblich, dass für die eingehenden Mieten und die mit der Immobilie verbunden Ausgaben ein Konto der Erbengemeinschaft eingerichtet wird. Meist können sich die Erben darauf sogar noch verständigen, wenn sie sonst zerstritten sind. Ohne das Konto müssten die Mieter die Miete jeweils hinterlegen, was in der Handhabung aufwändiger ist. Es ist daher gut vertretbar, die Einrichtung eines gemeinsamen Kontos der Erbengemeinschaft für die Vermietung der Immobilie als eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung anzusehen.

Nach der neuen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 11.11.2009 - XII ZR 210/05 - Rn. 26-31; BGH, Urteil vom 20.10.2010 - XII ZR 25/09 - Rn. 20) kann ein Mehrheitserbe Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung sogar allein für die Erbengemeinschaft vornehmen. Hier war die Mitwirkung des Minderheitserben allerdings erforderlich, damit die bankrechtliche Legitimation vorgenommen werden konnte. Nach § 2038 Absatz 1 Satz 2 BGB muss jeder Miterbe an Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung mitwirken. Damit musste der Minderheitsmiterbe hier an der Eröffnung des Vermieterkontos mitwirken.

Alleinige Verfügungsbefugnis des Mehrheitserben
Bei einem Konto der Erbengemeinschaft müssen in der Regel alle Miterben gemeinsam handeln. Auch hier gilt nach der neueren Rechtsprechung, dass der Mehrheitserbe allein handeln kann, wenn es sich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt. Der Mehrheitserbe kann hingegen nicht allein hingehen und das Konto "abräumen". Das Landgericht Gießen meinte nun, dass es von diesem Rechtsgrundsatz eine Ausnahme machen darf, indem es dem Mehrheitserben die alleinige Verfügungsbefugnis über das Konto der Erbengemeinschaft zusprach. Damit war der Mehrheitserbe also plötzlich auch in der Lage, vom Konto Geld abzuheben, das für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses nicht erforderlich war.

Leider verließ das Landgericht Gießen damit den Boden des Rechts. Das Landgericht Gießen offenbarte diese Schwäche auch in den Entscheidungsgründen. Es führte an zwei Stellen aus, dass Verfügungen des Mehrheitserben, die nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen, "ohnehin unwirksam" seien. Nein, die Verfügung ist wirksam, wenn der Mehrheitserbe die alleinige Verfügungsbefugnis hat. Wenn die Bank an denjenigen auszahlt, der allein verfügungsbefugt ist, dann muss sie nicht noch einmal zahlen. Das Geld ist dann weg und der andere Miterbe muss sich mit dem Insolvenzrisiko des Verfügungsberechtigten auseinandersetzen. Das Landgericht Gießen ermöglichte also dem Mehrheitserben Verfügungen, die nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Als Anspruchsgrundlage zog es jedoch eine Vorschrift heran (§ 2038 Absatz 1 Satz 2 BGB), die nur eine ordnungsgemäße Verwaltung durch ein Handeln der Mehrheit ermöglicht. Davon konnte die Entscheidung nicht gedeckt sein.

Das Landgericht Gießen begründete die Entscheidung weiterhin damit, dass sich die Parteien bereits in der Vergangenheit vielfach und auch vor Gericht gestritten hätten. Das Landgericht Gießen ließ dabei ausdrücklich offen, wer bei dem anderen Streit jeweils Recht hatte. Der Streit führe aber dazu, dass der Mehrheitserbe allein verfügungsbefugt sein müsse, weil es sonst noch mehr Streit gäbe. Welcher Rechtsgrundsatz damit zum Ausdruck kommen soll, bleibt verborgen. Rechtsverlust durch Streit?

Ich möchte noch eine weitere Erwägung betrachten. Der Mehrheitserbe hätte die Verwaltung der Immobilie durch Mehrheitsbeschlus auf eine Hausverwaltung übertragen können. Lässt sich daraus schlussfolgern, dass er - quasi als milderes Mittel - auch die Verwaltung auf sich übertragen kann? Nein! Der Gesetzgeber hat dieses Problem in § 181 BGB gesehen und gelöst. Diese Vorschrift verbietet Insichgeschäfte. Der Gesetzgeber hatte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber jemanden, der als Vertreter anderer mit sich selbst Geschäfte abschließt.

Fazit:
Im Ergebnis würde ich die Fragen so beantworten:
  1. Ja, der Mehrheitserbe kann die Eröffnung eines Vermieterkontos der Erbengemeinschaft verlangen.
  2. Nein, er bekommt keine alleinige Verfügungsbefugnis. Wenn die Verwaltung ihm zu schwierig wird, muss er sie einer Hausverwaltung übertragen.

Hier finden Sie Hilfe zur Verwaltung oder Auseinandersetzung Ihrer Erbengemeinschaft.

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