Hat Ihnen der Rechtspfleger oder Notar bei Ihrer Erbausschlagung den Text vom Bildschirm vorgelesen? Dann ist die Urkunde nichtig.
Möglicherweise ist eine größere Menge (unerkannt) unwirksamer Erbausschlagungserklärungen und eidesstattlicher Versicherungen im Umlauf. Dies legt ein Thread im Rechtpflegerforum nahe: http://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?72596-Verlesen-von-Beurkundungen-am-Bildschirm
Es gibt scheinbar Rechtspfleger, die bei Erbausschlagungen und anderen Beurkundungen immer zunächst die Urkunde vom Bildschirm vorlesen und erst danach die Urkunde ausdrucken und unterschreiben lassen. Diese Urkunden sind nichtig.
Nach § 13 Absatz 1 BeurkG muss die Niederschrift den Beteiligten vorgelesen werden. Es genügt nicht, dass der Rechtspfleger oder Notar irgendeinen Text von seinem Monitor vorliest, auch nicht wenn das der Entwurf für die Urkunde ist. Das ist auch leicht zu verstehen. Die Beteiligten sollen nicht irgendeinen Text vom Monitor vorgelesen bekommen und dann ggf. einen ganz anderen Text unterschreiben. Ob die Texte identisch sind, können die Beteiligten bei der Unterschrift gar nicht wissen, ohne den Text nochmals selbst zu lesen. Das Beurkundungsrecht ist deshalb an dieser Stelle bewusst streng.
Was ist nun die Folge? Aus einer unwirksamen Urkunde können zunächst keine Kosten erhoben werden. Das ist aber noch das geringste Problem.
Es existieren viele Erbscheine, denen die Grundlage fehlt. Es sind Personen Erben, die dies nicht sein wollten. Diese Personen müssen nun die Versäumung der Erbausschlagungsfrist anfechten - wenn sie es sich nicht mittlerweile anders überlegt haben. Die eidesstattlichen Versicherungen, die Grundlage der Erbscheine sind, sind unwirksam. Die Strafbarkeit von falschen eidesstattlichen Versicherungen entfällt. Die unwirksamen Urkunden führen in vielen Fällen zu weiteren Folgeproblemen.
Die praktische Frage liegt darin, ob die unwirksamen Urkunden erkannt werden und ob die Unwirksamkeit beweisbar ist. Für den ehrlichen Rechtspfleger haben diese Fälle weitgehende Folgen. Unter anderem muss er fürchten, dass seine Versäumnisse zu Amtshaftungsansprüchen führen und dass der Dienstherr Regress nimmt. Wird der Rechtspfleger vor diesem Hintergrund bei der Wahrheit bleiben und zugeben, dass er vom Bildschirm abgelesen hat? Dies muss die Praxis zeigen. Abgesehen davon, dass hier keinem Rechtspfleger die Unaufrichtigkeit unterstellt werden soll, hätte eine nachweisbare Lüge noch viel schlimmere Folgen.
Warten wir also auf die ersten Rechtspfleger, die zugeben: "Ich lese schon seit 5 Jahren vom Bildschirm vor." Die Folge muss dann eine entsprechende Abwicklung sämtlicher von diesem Rechtspfleger erstellter Urkunden sein.
Ergänzung: Auf den freundlichen Hinweis eines Rechtsanwalts und Notars aus Norddeutschland möchte ich klarstellend darauf hinweisen, dass es hier um die Beurkundung geht und nicht um die Beglaubigung, bei der der Notar lediglich die Unterschrift des Mandanten unter einem Text beglaubigt. In diesem Fall liest der Notar den Text nicht vor. Rechtspfleger beim Nachlassgericht dürfen nach § 1945 Absatz 1 BGB nur die Form der Beurkundung nutzen ("zur Niederschrift des Nachlassgerichts").
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