Mittwoch, 29. Juli 2015

Pflichtteilsstrafklausel muss bewusst verletzt werden

Eine Pflichtteilsstrafklausel greift nicht ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs von ihr keine Kenntnis hatte (OLG Rostock, Beschluss vom 11.12.2014 - 3 W 138/13).

Im Fall des Oberlandesgerichts Rostock hatten sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben eingesetzt. Das Testament enthielt die folgende Klausel: "Sollte eines unserer Kinder nach dem Erstversterbenden den Pflichtteil fordern, soll es auch nach dem Letztversterbenden auf den Pflichtteil beschränkt sein."

Ein Kind forderte nach dem Tod der Mutter seinen Pflichtteil. Nach den Feststellungen des OLG Rostock erfuhr das Kind erst danach von der Pflichtteilsstrafklausel und stellte seine Rechtsverfolgung daraufhin ein. Nach dem Tod des Vaters stritten die beiden Kinder darum, ob das eine Kind, das den Pflichtteil gefordert hatte, enterbt ist. Das OLG Rostock gelangte zu dem Ergebnis, dass die Pflichtteilstrafklausel nicht eingreift.

Die Pflichtteilsstrafklausel werde nur durch das bewusste Geltendmachen des Pflichtteils in Kenntnis der Klausel ausgelöst (Rn. 19, 22). Leider enthält der Beschluss des OLG Rostock für diese zentrale Aussage kaum eine Begründung. Es heißt dort lediglich: "Für eine von diesem Allgemeinverständnis abweichende Auslegung der Ziffer 3 des Testaments nach dem Willen der Testierenden ist nichts ersichtlich". Dazu wird lediglich auf Literatur und andere Gerichtsentscheidungen verwiesen, und zwar:
  • Palandt/Weidlich, § 2269, Rn. 14 enthält auch keine weitere Begründung als das "übliche Verständnis"
  • Der Beschluss des OLG Düsseldorf vom 18.07.2011 - 3 Wx 124/11 enthält keine Begründung, sondern nur eine beiläufige Erwähnung, weil es dort nicht zweifelhaft war, dass der Pflichtteil in Kenntnis der Klausel geltend gemacht wurde.
  • Ebenso ist es mit dem Beschluss des OLG München vom 29.01.2008 - 31 Wx 68/07.
  • Und wiederum ebenso ist es auch mit dem Beschluss des OLG Hamm vom 13.02.2013 - 15 W 421/12.

Der Respekt vor den Beteiligten gebietet es, dass das Gericht zentrale Fragen begründet und nicht wie ein Lemming auf andere Quellen verweist, die wiederum keine Begründung enthalten.

Zwingend ist die Ansicht des OLG Rostock nicht. Es geht um die Frage, wie der Erblasser die Klausel verstanden wissen wollte. Der Erblasser kann durchaus auch eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ohne Kenntnis von der Klausel sanktionieren.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema Pflichtteil.

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