Selbständige Beweisverfahren kennt man aus dem Mietrecht und Baurecht. Dort werden regelmäßig Gutachten eigenholt, bevor der eigentliche Rechtsstreit losgeht. Wie steht es damit im Erbrecht, speziell zur Frage der Geschäftsunfähigkeit?
Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Vollmachtgeber mit zweifelhaftem Gesundheitszustand eine Vorsorgevollmacht widerruft. Oder ein Elternteil überträgt ein Grundstück, obwohl er schon deutliche Orientierungsschwierigkeiten hat. Dann wäre es schön, wenn man die Geschäftsfähigkeit begutachten lassen könnte, bevor sich der Gesundheitszustand ändert oder der Betroffene stirbt. Bisher kenne ich dazu keine Fälle aus der Praxis. Wenn Sie mutig sind, probieren wir das gern aus.
§ 485 Abs. 1 ZPO lässt das selbständige Beweisverfahren zu, wenn zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht. Wer sich mit der Feststellung der Geschäftsfähigkeit oder Testierfähigkeit nach dem Tod auskennt, weiß, dass das Beweismittel viel zu oft verloren geht. Nach dem Tod sind viele sinnvolle Untersuchungen nicht mehr möglich.
§ 485 Abs. 2 ZPO lässt das Verfahren weiterhin (vereinfacht) dann zu, wenn ein rechtliches Interesse daran besteht, den Zustand einer Person festzustellen. Das ist insbesondere der Fall, wenn dadurch ein Rechtsstreit vermieden werden kann. Auch das ist eigentlich immer gegeben.
Also, los geht's mit der Begutachtung durch gerichtliche Sachverständige! Bestehen Bedenken, dass das gegen die Menschenwürde verstößt? Ist es nicht komisch, wenn sich ältere Leute regelmäßig solchen Verfahren unterziehen müssen? Ich meine: nein. Denn es geht hier darum, die Menschenwürde und die Testierfreiheit der älteren Menschen zu schützen, indem sie eben nicht im hohen Alter unter Druck genommen werden, damit sie zweifelhafte Rechtsgeschäfte abschließen.
Wenn Sie mit dem Thema praktische Erfahrungen sammeln, würde ich mich über eine Nachricht freuen.
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