Der Gesetzgeber hat bei der letzten Erbrechtsreform auch die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche geändert. Früher verjährte fast alles in 30 Jahren. Nun gilt die dreißigjährige Verjährung nach § 197 Absatz 1 Nr. 2 BGB nur noch für wenige Ansprüche. In weiten Teilen gilt stattdessen die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB (drei Jahre ab Kenntnis und immer zum Jahresende, dafür aber mit einer Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren). Das betrifft zum Beispiel Ansprüche aus einem Vermächtnis.
Und dabei entstand ein neues Problem. Für Ansprüche im Zusammenhang mit Grundstücken gilt eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. Gilt also für ein Vermächtnis auf Übereignung eines Grundstücks die zehnjährige Verjährung? Dazu das Gesetz:
§ 196 BGB Verjährungsfrist bei Rechten an einem GrundstückIm Gesetzesentwurf zur Erbrechtsreform (BT-Drucks. 16/8954) steht davon aber nichts. An mehreren Stellen klingt an, dass sich an den bisherigen Regelungen nichts ändern sollte und dass es sich nur um redaktionelle Anpassungen handelt. Und nun kommt es, wie es kommen musste. In der Literatur wird vertreten, dass § 196 BGB entgegen seines eindeutigen Wortlauts auf erbrechtliche Ansprüche oder jedenfalls bestimmte erbrechtliche Ansprüche keine Anwendung findet (Damrau, ZErb 2015, 333 für Grundstücksvermächtnisse und Schindler, ZEV 2017, 7 für Ansprüche aus § 2287 BGB). Ich halte diese Auffassung für unzutreffend.
Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in zehn Jahren.
Wir kennen vier Auslegungsmethoden: Die Auslegung nach dem Wortlaut, die systematische Auslegung, die historische Auslegung und die teleologische Auslegung.
Die Auslegung nach dem Wortlaut führt hier dazu, dass bei Grundstücken die zehnjährige Verjährungsfrist gilt und nicht die dreijährige. Genau so steht es ja im Gesetz. Der Wortlaut ist nicht nur die Grundlage, sondern auch die Grenze der Auslegung. Eine Auslegung, die zu einem gegenteiligen Ergebnis führt, ist daher nur zulässig, wenn der Gesetzeswortlaut mehrdeutig ist. Das ist hier nicht der Fall.
Die systematische Auslegung hilft hier kaum weiter. Allenfalls ließe sich argumentieren, dass bitte auch das selbe Ergebnis herauskommen soll, wenn sich die Verjährung verschiedener Ansprüche nach den selben Vorschriften richtet. Nach den Auffassungen von Damrau und Schindler wäre das nicht der Fall.
Die teleologische Auslegung fragt nach dem Sinn und Zweck einer Vorschrift. Die Verjährung beseitigt die Ansprüche und führt zu Rechtssicherheit. Ob die Rechtssicherheit aber nach drei oder erst nach zehn Jahren eintreten soll, lässt sich aus diesem Zweck nicht ermitteln. Aufgrund der heftigen Wirkung der Verjährung entspricht es dem Zweck der Vorschrift aber eher, dass sie nach dem Verständnis eines unbefangenen Lesers ausgelegt wird: Also 10 Jahre.
Und dann gibt es die historische Auslegung. Wir fragen danach, was sich der Gesetzgeber gedacht hat. Dabei ist derjenige, der den Gesetzesentwurf verfasst natürlich nicht der Gesetzgeber. Es gibt aber eine Tendenz, dass dem Gesetzgeber unterstellt wird, er habe sich das gedacht, was der Entwurfsverfasser aufgeschrieben hat. Der Entwurfsverfasser hat das Problem nicht gesehen. Er hat sich gar nichts gedacht. Die Aussage, dass alles beim Alten bleiben soll, genügt nicht dafür, dass wir jetzt einfach die alten Vorschriften weiter anwenden. Der Entwurfverfasser hat auch nicht in den Entwurf geschrieben, welchen Inhalt die alten Vorschriften nach seiner Vorstellung hatten. Die historische Auslegung rechtfertigt es daher nicht, § 196 BGB im Erbrecht nicht anzuwenden.
Unbeantwortet bleibt nun noch die Frage, was gilt, wenn mehr als zehn Jahre verstrichen sind, der Vermächtnisnehmer aber keine Kenntnis hatte. Dann ist die Verjährungsfrist des § 196 BGB plötzlich kürzer. Möglicherweise ist § 199 Absatz 3a BGB dann als Spezialregelung heranzuziehen, so dass dann plötzlich doch die Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren gilt. Viel anders lässt sich der Pfusch des Gesetzgebers nicht reparieren.
Update: Das OLG München ist im Urteil vom 26.07.2017 - 7 U 302/17, ZEV 2018, 35 von der zehnjährigen Verjährungsfrist für ein Grundstücksvermächtnis ausgegangen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf meinen Verjährungsrechner zum Pflichtteil hinweisen. Dort stellt sich das Problem mit § 196 BGB allerdings nicht, da der Pflichtteilsanspruch immer auf Geld gerichtet ist.
Weitere Informationen: Ratgeber zum Pflichtteil
Update 2: Gerken vertritt nun auch in einem Aufsatz in der ZErb 2019, 91, dass § 196 BGB für Grundstücksvermächtnisse nicht gelten soll.
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