Im Pflichtteilsrecht besteht ein Grundsatzkonflikt zwischen dem Recht des Pflichtteilsberechtigten auf der einen Seite und der Arbeitsvermeidung für Erben, Notare und Gerichte auf der anderen Seite. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf seine Mindestteilhabe am Nachlass. Leider ist das Leben komplex und so gibt es viele Vorgänge, die schwer erkennbar sind und die nur ordentlich beziffert werden können, wenn umfangreiche Unterlagen gesichtet werden. Hier kommt aber der zweite Aspekt ins Spiel: Das macht Arbeit. Zudem möchte mancher Erbe nicht, dass Geldbewegungen aufgedeckt werden, die er vorher zusammen mit dem Erblasser mühevoll versteckt hat.
Dieses Problemfeld entzündet sich an der Diskussion, ob der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf die Belege hat, entweder auf Vorlage der Belege oder auf Einsicht in die Belege. Das OLG München entschied am 23.08.2021 - 33 U 325/21 - dass es keinen Anspruch auf Vorlage der Belege gebe.
Der Erbe war vom Landgericht zur Auskunftserteilung und Belegvorlage verurteilt worden. Gegen die Belegvorlage ging er erfolgreich in Berufung. Das Problem dabei: Eigentlich ist die Berufung gar nicht zulässig. Wenn der Beklagte die Unterlagen einfach vorlegen kann, erreicht er nicht die notwendige Beschwer von über 600 € (§ 511 Absatz 2 Nr. 1 ZPO). Das OLG München überwand diese Hürde mit dem Vortrag des Beklagten, er müsse die Bankbelege erst anfordern und das sei teurer als 600 €. Leider übersah das OLG München, dass die Bankbelege im Rahmen der Auskunftserteilung ohnehin angefordert und gesichtet werden müssen, unabhängig davon, ob sie vorgelegt werden müssen. Durch die Vorlage entstehen daher keine nennenswerten Mehrkosten. Also hätte die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.
Die Frage nach dem Anspruch auf Belegvorlage beantwortete das OLG München zunächst mit der wenig hilfreichen und nichtssagenden Floskel, dass es diesen Anspruch nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur nicht gebe. Aus der umfangreichen Diskussion in der Literatur nahm es dann zwei Argumente für die eine Meinung, ohne sich mit den Argumenten der Gegenmeinung zu befassen. Leider unterschied das OLG München nicht zwischen Belegvorlage und Einsicht in die Belege. Es lässt sich gut vertreten, dass das Hinzuziehungsrecht in § 2314 BGB nur ein Recht auf Einsicht, aber kein Recht auf Vorlage gibt.
Jetzt lässt sich wieder nur raten, ob das OLG diese Unterscheidung bewusst nicht thematisiert hat, weil die Einsicht nicht beantragt war. Ein rechtlicher Hinweis wäre in diesem Zusammenhang aber wohl notwendig gewesen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf die "Allgemeinen Verfahrenshinweise des 33. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München" hinweisen. Ich höre gerne Erfahrungsberichte, wie sich diese in der konkreten Anwendung des Senats auswirken. Sie lassen sich durchaus in einer Weise verstehen, die dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht mehr genügt.
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