Der Bundesgerichtshof erließ am 07.03.2024 einen Beschluss zum notariellen Nachlassverzeichnis (Az. I ZB 40/23). Dieser Beschluss stammt vom 1. Zivilsenat. Für das Erbrecht ist sonst der 4. Zivilsenat zuständig.
Eigentlich steht in dem Beschluss nicht viel drin:
- Der Notar muss ohne Anlass nicht bei allen möglichen Banken anfragen, ob es dort Konten gibt.
- Wenn im Vollstreckungstitel keine Auskunftspflicht zum fiktiven Nachlass drin steht, dann kann man diese auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erzwingen.
Und dann hat der BGH noch einen großen Bock geschossen, indem er seinen Beschluss auf einen fehlerhaften Obersatz gestellt hat. Auf das Ergebnis hatte das keine Auswirkungen. Da aber Juristen gern unbedarft Dinge abschreiben, wird sich das Unheil schnell verbreiten. Es geht um die Frage, wann ein notarielles Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich ist.
Falsch: Obersatz des BGH
Der BGH führte dazu aus (Rn. 34):
"bb) Liegt - wie hier - ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so ist die Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB erfüllt und der Pflichtteilsberechtigte kann grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen. Von diesem Grundsatz sind jedoch verschiedene Ausnahmen anerkannt (BGH, NJW 2020, 2187 [juris Rn. 10] mwN). So kann ein Anspruch auf Ergänzung beziehungsweise Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (dazu C II 4 c cc), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (dazu C II 4 c dd), oder wenn in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen - etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen - nicht aufgeführt ist und beispielsweise Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (dazu C II 4 c ee). Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass nach diesen Grundsätzen im Streitfall kein Anspruch auf Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses besteht."
Zusammengefasst steht dort, dass jedes notarielle Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich ist, wenn keine der drei Ausnahmen vorliegen, also
- keine Ermittlungen des Notars,
- keine Verschaffung zumutbaren Wissens durch den Erben oder
- Fehlen einer unbestimmten Mehrheit von Nachlassgegenständen
Wo liegt das Problem? Was ist nun zum Beispiel, wenn der Notar ein Konto angibt, aber den Guthabenstand weglässt? Was ist, wenn bei einer Lebensversicherung der (nach der Rechtsprechung maßgebenliche) Rückkaufswert nicht angegeben wird? Was ist, wenn Goldmünzen als Sammelposten angegeben werden, ohne dass die Art und Anzahl benannt wird?
Nach dem Obersatz des BGH müsste in all diesen Fällen das Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich sein. Der Pflichtteilsberechtigte würde seine Auskunft nie erhalten und könnte seinen Anspruch nie beziffern. Das Verfahren über die eidesstattliche Versicherung hilft ihm dabei auch nicht.
Richtig: Formale Vollständigkeit
Der richtige Ansatz liegt hingegen in der Frage, ob das Nachlassverzeichnis von außen so aussieht, als ob es vollständig ist. Es muss also aus sich heraus so aussehen, als ob alle Fragen beantwortet sind, auf die es ankommt. Dann ist das Nachlassverzeichnis erfüllungstauglich.
Wenn das Nachlassverzeichnis dann inhaltlich falsch sein sollte, liegt die Beweislast beim Pflichtteilsberechtigten. Kann er nachweisen, dass das Nachlassverzeichnis inhaltliche Fehler hat, kann er über einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB weitere Auskünfte verlangen.