Wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe die Erbschaft ausschlägt, dann hat er keinen Pflichtteilsanspruch. Eine Ausnahme davon ist in § 2306 BGB geregelt, wenn zum Beispiel eine Testamentsvollstreckung, eine Vor- und Nacherbschaft oder ein Vermächtis angeordnet sind. In diesen Fällen kann der Erbe ausschlagen und trotzdem seinen Pflichtteil geltend machen. Regelmäßig stellt sich in diesen Fällen die Frage, ob dann die Abkömmlinge des Ausschlagenden nachrücken oder ob sein Erbteil den verbleibenden Erben anwächst.
§ 2069 BGB enthält eine Auslegungsregel, wonach im Zweifel die Abkömmlinge nachrücken. Gegen diese gesetzliche Vorschrift hat die Rechtsprechung eine sogenannte Doppelbegünstigungstheorie erfunden, wonach der Erblasser lieber wolle, dass der Erbteil den anderen Miterben anwächst. Als Begründung wird angeführt, der Erblasser wolle den Stamm des Ausschlagenden nicht doppelt begünstigen. Dieses Argument ist jedoch fehlerhaft, weil der Pflichtteilsanspruch nach § 2320 BGB vollständig von dem Erben zu tragen ist, der nachrückt. Eine Doppelbegünstigung findet gar nicht statt.
Den Anlass für diesen Beitrag gab ein erfreulicher Beschluss des OLG München vom 26.10.2011 - 31 Wx 30/11. Dort wendete sich das OLG München gegen die Doppelbegünstigungstheorie und führte dafür auch § 2320 BGB an. Leider wies der Fall des OLG München aber auch einige Besonderheiten auf. Zum Beispiel rückte der Abkömmling dort schon deshalb nach, weil er als Nacherbe eingesetzt war und der Nachererbe nach § 2102 Absatz 1 BGB im Zweifel auch Ersatzerbe ist. Das OLG München betonte diese Besonderheiten, ohne jedoch darzulegen, warum gerade die Besonderheiten gegen die Doppelbegünstigungstheore sprechen. Die Begründung des OLG München spricht genauso für den eingangs geschilderten Standardfall gegen die Anwendung der Doppelbegünstigungstheorie.
Als Fachanwalt für Erbrecht gehört es zum täglichen Geschäft von Rechtsanwalt Thomas Papenmeier, den Pflichtteil einzuklagen.
Update (23.05.2014): Leider hat die die Rechtsprechung mit dem Urteil des OLG Bamberg vom 23.04.2013 einen Rückfall zur Doppelbegünstigungstheorie erlitten.
Sonntag, 19. Februar 2012
Freitag, 17. Februar 2012
Berechnung der Quoten bei der Abschichtung
Wenn ein Miterbe im Wege der Abschichtung aus einer Erbengemeinschaft austritt, lassen sich die (neuen) Erbquoten der verbleibenden Erben einfach berechnen (entgegen Jünemann, ZEV 2012, 65 (66).)
Es ist mittlerweile anerkannt, dass ein Miterbe im Wege der sogenannten Abschichtung aus einer Erbengemeinschaft austreten kann. In der Regel erhält der austretende Miterbe dafür eine Abfindung, die sich an seiner wertmäßigen Beteiligung an der Erbengemeinschaft orientiert. Der Erbteil des austretenden Miterben wächst den anderen Miterben an.
Ein Aufsatz von Jünemann, ZEV 2012, 65 (66) zeigt, dass sich dies umständlich berechnen lässt. Jünemann wählt als Beispielsfall eine Erbengemeinschaft aus A, B, C, D und E mit den Erbquoten:
A - 4/11, B - 3/11, C - 2/11, D - 1/11 und E - 1/11. E scheidet im Wege der Abschichtung aus.
Jünemann beschreibt nun 5 Schritte, um die neuen Quoten zu berechnen. Er addiert die Zähler der verbleibenden Erbquoten (10), multipliziert das Ergebnis mit dem bisheringen Nenner (11), und erweitert die Brüche hier anschließend auf 110. Danach addiert er die alten Zähler zu den neuen Zählern und kürzt die Brüche wieder ein, für A also zum Beispiel: (40 + 4) / 110 = 44/110 = 2/5.
Dieser mathematische Kopfstand ist allerdings nicht notwendig. Man nehme die Anzahl der verbleibenden Zähler (4 + 3 + 2 + 1 = 10) und ersetze den bisherigen Nenner (11) durch diese Zahl. Und schon findet sich das einfache Ergebnis: A - 4/10 (= 2/5), B - 3/10, C - 2/10 (= 1/5), D - 1/10.
Lesen Sie mehr: Wieviele Grundbuchbewilligungen sind erforderlich, um die Abschichtung im Grundbuch zu vollziehen?
Es ist mittlerweile anerkannt, dass ein Miterbe im Wege der sogenannten Abschichtung aus einer Erbengemeinschaft austreten kann. In der Regel erhält der austretende Miterbe dafür eine Abfindung, die sich an seiner wertmäßigen Beteiligung an der Erbengemeinschaft orientiert. Der Erbteil des austretenden Miterben wächst den anderen Miterben an.
Ein Aufsatz von Jünemann, ZEV 2012, 65 (66) zeigt, dass sich dies umständlich berechnen lässt. Jünemann wählt als Beispielsfall eine Erbengemeinschaft aus A, B, C, D und E mit den Erbquoten:
A - 4/11, B - 3/11, C - 2/11, D - 1/11 und E - 1/11. E scheidet im Wege der Abschichtung aus.
Jünemann beschreibt nun 5 Schritte, um die neuen Quoten zu berechnen. Er addiert die Zähler der verbleibenden Erbquoten (10), multipliziert das Ergebnis mit dem bisheringen Nenner (11), und erweitert die Brüche hier anschließend auf 110. Danach addiert er die alten Zähler zu den neuen Zählern und kürzt die Brüche wieder ein, für A also zum Beispiel: (40 + 4) / 110 = 44/110 = 2/5.
Dieser mathematische Kopfstand ist allerdings nicht notwendig. Man nehme die Anzahl der verbleibenden Zähler (4 + 3 + 2 + 1 = 10) und ersetze den bisherigen Nenner (11) durch diese Zahl. Und schon findet sich das einfache Ergebnis: A - 4/10 (= 2/5), B - 3/10, C - 2/10 (= 1/5), D - 1/10.
Ergänzung (19.07.2012):
Der hier zu lesende Rechenweg wird nun auch von Bredemeyer/Tews, ZEV 2012, 352 (354) dargestellt, allerdings ohne Verweis hierher. Die beiden Autoren schlagen zudem als weiteren Rechenweg folgende Formel vor:
Neuer Erbteil = alter Erbteil / (1 - Erbteil des Ausscheidenden)
Im Beispiel:
Neuer Erbteil A = (4/11) / (1 - 1/11) = (4/11) / (10/11) = 4/10
Neuer Erbteil B = (3/11) / (1 - 1/11) = (3/11) / (10/11) = 3/10
Neuer Erbteil C = (2/11) / (1 - 1/11) = (2/11) / (10/11) = 2/10
Neuer Erbteil D = (1/11) / (1 - 1/11) = (1/11) / (10/11) = 1/10
Lesen Sie mehr: Wieviele Grundbuchbewilligungen sind erforderlich, um die Abschichtung im Grundbuch zu vollziehen?
Montag, 13. Februar 2012
AG Dresden (Insolvenzgericht): Kein Nachlassinsolvenzantrag der Erbeserben
Ein überschuldeter Nachlass ist in der Regel kein Problem. Die Erben können ihre Haftung auf den Nachlass beschränken. Ein Mittel dazu ist der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahens. Eine bedenkliche Ausnahme eröffnet nun das Amtsgericht Dresden als Insolvenzgericht in seinem Beschluss vom 03.06.2011 - 531 IN 1182/11. Danach soll es einem Erbeserben nicht mehr möglich sein, den Insolvenzantrag für den ursprünglichen Nachlass zu stellen.
Beispiel: Opa O hat einen negativen Nachlass von -10.000 €. Er wird vom Vater V beerbt. Dieser selbst hat einen Nachlass in Höhe von 20.000 €. V stirbt kurz nach O und wird von seinem Sohn S beerbt. Nach der Ansicht des AG Dresden muss S mit dem Geld des V die Schulden des O begleichen und erhält nur noch 10.000 €.
Richtig ist es hingegen so: V musste zu seinen Lebzeiten nicht für die Schulden des O aufkommen. Es gibt keinen Grund, warum sich dies durch den Tod des V ändern soll. S tritt als Erbe des V so in dessen Rechtsstellung ein, wie sie sich vor dem Tod darstellte. S erhält also 20.000 €.
Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 03.06.2011 ist ein erheblicher Störfaktor im erbrechtlichen Haftungsgefüge. Wenn sich dies wiederholt, sollte unbedingt sofortige Beschwerde dagegen eingelegt werden.
Beispiel: Opa O hat einen negativen Nachlass von -10.000 €. Er wird vom Vater V beerbt. Dieser selbst hat einen Nachlass in Höhe von 20.000 €. V stirbt kurz nach O und wird von seinem Sohn S beerbt. Nach der Ansicht des AG Dresden muss S mit dem Geld des V die Schulden des O begleichen und erhält nur noch 10.000 €.
Richtig ist es hingegen so: V musste zu seinen Lebzeiten nicht für die Schulden des O aufkommen. Es gibt keinen Grund, warum sich dies durch den Tod des V ändern soll. S tritt als Erbe des V so in dessen Rechtsstellung ein, wie sie sich vor dem Tod darstellte. S erhält also 20.000 €.
Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 03.06.2011 ist ein erheblicher Störfaktor im erbrechtlichen Haftungsgefüge. Wenn sich dies wiederholt, sollte unbedingt sofortige Beschwerde dagegen eingelegt werden.
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