Donnerstag, 14. November 2013

Pflichtteilsstrafklausel als Bumerang

Eine Pflichtteilsstrafklausel kann dahingehend ausgelegt werden, dass ein Abkömmling des anderen Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch als Vermächtnis erwirbt (OLG Schleswig, Beschluss vom 24.01.2013 - 3 Wx 59/12).

 Im Fall des OLG Schleswig hatten Ehegatten das folgende Testament errichtet:
„1. Wir setzen und gegenseitig zum Alleinerben ein.
2. Nach dem Tode des Längstlebenden von uns soll unser beiderseitiger Nachlaß je zur Hälfte an unsere Kinder aus früheren Ehen fallen.
...
5. Sollte einer der Schlußerben von dem Nachlaß des Erstverstorbenen von uns den Pflichtteil fordern, dann soll er auch von dem Nachlaß des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten. Über das hierdurch freiwerdende Vermögen darf der Überlebende frei von Todes wegen verfügen." [Hervorhebungen durch den Autor]
Zunächst starb der Ehemann.  Das Kind des Ehemanns machte seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Danach verstarb die Ehefrau. Die Ehefrau war nicht die Mutter des Kindes, das seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte. Die Kinder stritten nun darum, ob das Kind des Ehemannes nach der Ehefrau nichts mehr erhält oder ob es noch ein Vermächtnis in Höhe eines fiktiven Pflichtteilsanspruchs erhält.

Das Problem liegt darin, dass das Kind des Ehemannes nach der Ehefrau gar nicht pflichtteilsberechtigt war, weil es nicht von ihr abstammte. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Pflichtteilsstrafklausel zu verstehen sein kann.

Zum einen kann man den Strafcharakter hervorheben. Die Ehegatten haben in der Strafklausel zum Ausdruck gebracht, dass derjenige, der seinen Pflichtteilsanspruch nach dem Erstversterbenden geltend macht, nach dem Tod des Letztversterbenden so wenig wie möglich erhält. Nach dieser Auslegung hätte das Kind des Ehemannes nach dem Tod der Ehefrau nichts mehr erhalten.

Die zweite mögliche Auslegung geht dahin, dass die Kinder so behandelt werden sollten, als wären sie leibliche Kinder beider Ehegatten. In diesem Fall erhält das Kind des Ehemannes nach dem Tod der Ehefrau einen Pflichtteilsanspruch, als ob es ein Kind der Ehefrau wäre. Da es sich hierbei nicht um einen echten Pflichtteilsanspruch handelt, liegt ein Vermächtis vor, was aber im Ergebnis keinen Unterschied macht. Das OLG Schleswig schloss sich für den von ihm entschiedenen Fall dieser zweiten Auslegungsmöglichkeit an.

Was ist daraus zu lernen? Ehegatten in sogenannten Patchwork-Familien ("Meine, Deine, unsere Kinder") sollten keine Muster verwenden, in denen die klassische Pflichtteilsstrafklausel enthalten ist. Diese Musterklauseln passen für diesen Fall nicht. Vielmehr muss in dieser Konstellation genau durchdacht werden, was in den einzelnen möglichen Fällen passieren soll. Ich empfehle hierzu eine Erstberatung.

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