Das OLG Hamm vertritt die Auffassung, dass ein transmortal Bevollmächtigter gegen die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht beschwerdebefugt sei (OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2013 - 15 W 122/13).
Im Fall des OLG Hamm hatte der Erblasser seiner Tochter eine Generalvollmacht erteilt, die über seinen Tod hinaus fortbestand. Der Erblasser hatte die Tochter zur Erbin eingesetzt, diese hatte die Erbschaft aber (wegen Überschuldung) ausgeschlagen. Das Nachlassgericht bestellte daraufhin einen Nachlasspfleger. Die bevollmächtigte Tochter legte dagegen Beschwerde ein. Das OLG Hamm entschied, dass die Bevollmächtigte nicht beschwerdebefugt sei. Die Begründung ist sehr kurz und rechtlich unzutreffend.
Nach § 59 Absatz 1 FamFG kann derjenige Beschwerde gegen einen Beschluss des Nachlassgerichts einlegen, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Hier gab es zwei Ansatzpunkte für eine Beschwerdeberechtigung der Bevollmächtigten.
Zum einen musste das OLG Hamm prüfen, ob die Bevollmächtigte als Vertreterin der (unbekannten) Erben die Beschwerde einlegen konnte. Ein Bevollmächtigter vertritt nach dem Tod des Erblassers die Erben, auch wenn diese unbekannt sind. Die Frage war jedoch, ob die Einlegung der Beschwerde von der Vertretungsmacht der Bevollmächtigten umfasst war. Die Vertretungsmacht umfasste alle Geschäfte, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten vornehmen konnte. Eine Beschwerde gegen eine Anordnung einer Nachlasspflegschaft war zu Lebzeiten des Erblassers nicht denkbar. Daher hatte die Bevollmächtigte keine Vertretungsmacht, um die Beschwerde im Namen der Erben einzulegen.
Es stellte sich daher die Frage, ob die Bevollmächtigte die Beschwerde aus eigenem Recht einlegen konnte. Das OLG Hamm behauptet dazu - ohne eigene Begründung - die Vertetungsmacht der Bevollmächtigten stelle kein subjektives Recht dar. Mit diesem Ansatz verneinte das OLG Hamm die Beschwerdeberechtigung der Bevollmächtigten.
Der Ansatz des OLG Hamm ist jedoch unzutreffend. Die Vollmacht ist ein subjektives Recht des Bevollmächtigten. Ein subjektives Recht liegt vor, wenn jemand eine Rechtsmacht hat, die der Befriedigung seiner Interessen dient. Der Bevollmächtigte hat die Rechtsmacht, im Rechtskreis des Vollmachtgebers tätig zu werden. Diese Rechtsmacht kann der Bevollmächtigte im Grundsatz nutzen, wie er möchte (wenn er nicht im Innenverhältnis gebunden ist). Sie dient daher der Erweiterung seiner persönlichen Freiheit. Die Vollmacht ist ein subjektives Recht. (Näher dazu: Papenmeier, Transmortale und postmortale Vollmachten als Gestaltungsmittel, zerb Verlag, Bonn 2013, S. 4 ff.) Im Anschluss an diese Feststellung stellt sich die Frage, ob die Bevollmächtigte durch die Bestellung des Nachlasspflegers in diesem subjektiven Recht beeinträchtigt ist. Die Bevollmächtigte kann aus ihrer Vollmacht nur neben den Erben handeln. Sie verdrängt jedoch die Erben nicht. Der Nachlasspfleger ist ein weiterer Vertreter der Erben. Eigentlich dürfte es die Bevollmächtigte daher nicht stören, wenn der Nachlasspfleger auch für die Erben handelt. Das Problem besteht allerdings darin, dass der Nachlasspfleger befugt ist, die Vollmacht im Namen der Erben zu widerrufen. Ein Nachlasspfleger darf auf der anderen Seite aber im Grundsatz gar nicht bestellt werden, wenn ein Bevollmächtigter vorhanden ist, weil der Nachlass dann keiner Fürsorge bedarf (§ 1960 Absatz 1 Satz 1 BGB). Es bestände also die Möglichkeit, dass ein Nachlasspfleger die Vollmacht widerruft, obwohl er aufgrund der Vollmacht gar nicht bestellt werden darf. Art. 19 Absatz 4 GG gebietet es, dass der Bevollmächtigte dagegen ein Gericht anrufen kann. Die Bevollmächtigte war daher beschwerdeberechtigt.
Das OLG Hamm spricht in seinem Beschluss von einer postmortalen Vollmacht. So wird eine Vollmacht bezeichnet, die erst ab dem Tod des Erblassers gilt. Nach dem Sachverhalt lag hier aber eine transmortale Vollmacht vor. Das ist eine Vollmacht, die schon zu Lebzeiten des Erblassers gilt und über seinen Tod hinaus fortbesteht.
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