Der Beschwerdeführer hatte die Einziehung eines Erbscheins angeregt und das Verfahren verloren. Danach wechselte er seinen Rechtsanwalt und kam zu mir. Als Folge des verlorenen Erbscheinsenziehungsverfahrens erhielt er eine Kostenrechnung des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal. Das Problem dabei: Nach der Kostenordnung fallen hierfür gar keine Gerichtskosten an.
Ich riet zur Erinnerung. Diese wurde vom Rechtspfleger abgewiesen. Ich sagte mir, dass das nicht sein könne, und legte eine Rechtspflegererinnerung ein. Ich staunte nicht schlecht, als auch diese vom Amtsrichter zurückgewiesen wurde. Der Rechtsweg war erschöpft und es blieb nur noch die Verfassungsbeschwerde. Und es hat sich gelohnt! Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hob die Willkürentscheidung des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal auf. Es lohnt sich also durchaus, sich gegen Willkürentscheidungen zur Wehr zu setzen.
Nachfolgend ist die Entscheidung im Volltext abgedruckt.
DER VERFASSUNGSGERICHTSHOFDES FREISTAATES SACHSENIM NAMEN DES VOLKESBeschlussIn dem Verfahrenüber die Verfassungsbeschwerde
des Herrn ...,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Thomas Papenmeier, Altchemnitzer Straße 16, 09120 Chemnitz,
hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfas
sungsgerichtshofes Birgit Münz, die Richter Jürgen Rühmann, Uwe Beriit, Christoph Degenhart, Matthias Grünberg, Ulrich Hagenloch, Hans Dietrich Knoth, Hans-Heinrich Trute sowie die Richterin Andrea Versteyl
am 11. Dezember 2014
beschlossen:
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 24. Januar 2014
(VI 0941/11) verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 18
Abs. 1 SächsVerf. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht
Hohenstein-Ernstthal zurückverwiesen.
2. Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen
zu erstatten.
Gründe:I.
Mit seiner am 11. März 2014 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 24. Januar 2014 (VI 0941/11), mit dem eine Erinnerung gegen einen Kostenansatz in einer Nachlasssache zurückgewiesen wurde.
Nach dem Tod des Vaters des Beschwerdeführers am 9. Juni 2011 erteilte das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal am 22. Juli 2011 einen gemeinschaftlichen Erbschein, welcher - entsprechend dem gemeinsamen notariellen Antrag - den Beschwerdeführer und seinen Bruder als Erben zu je l/4 und die Ehefrau des Erblassers als Erbin zu 1/2 ausweist. Unter dem 16. Mai 2012 machte der damalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers und seines Bruders geltend, der Erbschein sei unrichtig, und regte dessen Einziehung an. Mit Beschluss vom 19. November 2012 wies das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurück, die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschwerdeführer und seinem Bruder auferlegt. Auf Grundlage eines Kostenansatzes vom 9. September 2013 erhob die Landesjustizkasse mit Kostenrechnung vom 30. September 2013 u.a. eine halbe Gebühr gemäß § 130 KostO in Höhe von 171,00 EUR, die hiergegen eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers vom 14. Oktober 2013 wies die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 zurück. Die Anregung auf Erbscheineinziehung sei als Antrag auf Ausstellung eines neuen Erbscheins ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers und seines Bruders auszulegen, für die Zurückweisung dieses Antrages sei gemäß § 130 KostO eine Gebühr auf Grundlage des festgesetzten Geschäftswertes anzusetzen. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein, die das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal mit Beschluss vom 24. Januar 2014 zurückwies. Die Gebühr gemäß § 130 KostO habe ihre Rechtsgrundlage in der gerichtlichen Kostenentscheidung. Auch wenn der Beschwerdeführer keinen ausdrücklichen Antrag auf Einziehung des Erbscheins gestellt habe, habe er jedoch den weiteren Verfahrensgang veranlasst.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf. Der Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal verstoße gegen das Willkürverbot, ersei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und damit offensichtlich unhaltbar. Zu dem werde der Beschwerdeführer durch die rechtsgrundlose Erhebung von Gerichtskosten in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 31 Abs. 1 SächsVerf verletzt. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 130 Abs. 1 KostO, mit dem sich das Gericht nicht befasst habe, entstehe die Gebühr nur im Falle der Zurückweisung eines Antrages in einem Verfahren, in dem das Gericht nur auf Antrag tätig werde. In einem Verfahren auf Einziehung eines Erbscheins werde das Gericht gemäß § 2361 BGB jedoch auch von Amts wegen tätig. Die mit Beschluss vom 19. November 2012 getroffene Kostengrundentscheidung führe nicht dazu, dass Gerichtskosten entstünden. Soweit das Amtsgericht ausführe, der Beschwerdeführer müsse die Kosten nach § 130 KostO tragen, weil er das Verfahren veranlasst habe, lasse es sich von sachfremden Erwägungen leiten.
Das Staatsministerium der Justiz und für Europa hat Gelegenheit gehabt, zum Verfahren Stellung zu nehmen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie ist - nach Ausschöpfung des Rechtsweges - fristgemäß erhoben und ausreichend begründet worden (§ 27 Abs. 1, 2, §§ 28, 29 Abs. 1 SächsVerfGHG). Der Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal war aufgrund des Nichterreichens des Beschwerdewertes gemäß § 14 Abs. 3 KostO nicht mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 24. Januar 2014 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf.
a) Für die Annahme einer willkürlichen Rechtsanwendung reicht eine zweifelsfrei fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus. Es ist nicht Aufgabe des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs, die Auslegung einfachen Rechts oder die Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägigen Normen durch die Fachgerichte zu kontrollieren (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - Vf. 91-VI-04, st. Rspr.). Hinzukommen muss, dass die Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung oder des Verfahrens mit den Vorgaben der Verfassung des Freistaates Sachsen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vereinbar ist. Insoweit wird der Beschwerdeführer nur durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, die bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - Vf. 66-IV-09; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - Vf. l-IV-13; st. Rspr.). Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung auf schweren Rechtsanwendungsfehlem wie der Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder der krassen Missdeutung einer Norm beruht.
b) Unter Beachtung dieser Grundsätze verletzt die angegriffene Entscheidung das Willkürverbot. Das Amtsgericht hat zwar erkannt, dass ein Antrag für die Einziehung eines Erbscheins gemäß § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erforderlich ist, sondern nur die Bedeutung einer Anregung hat (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 73. Auflage 2014, § 2361
Rn. 6; Ermann-W. Schlüter, BGB, 13. Auflage 2011, § 2361 Rn. 3; Jurgeleit-Dieker, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 1. Auflage 2010, § 18 Rn. 153; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann-Lappe, Kostenordnung, 18. Auflage 2010, § 130 Rn. 2). Nach der insoweit allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 130 Abs. 1 KostO wird jedoch im Fall der Zurückweisung eines Antrags nur in den Fällen eine Gebühr erhoben, in denen das Gericht ausschließlich auf Antrag tätig wird. In Verfahren, in denen das Gericht (auch) von Amts wegen tätig wird, fällt die Gebühr nicht an, die erfolglose Anregung zu einer Amtshandlung löst keine Gebührenfolge nach § 130 Abs. 1 KostO aus (Hartmann, a.a.O, § 130 KostO Rn. 3; vgl. BayObLG, Beschluss vom 10. September 1999 - 1 ZBR 21/99 -juris; für ein Verfahren wegen Entziehung der Vermögenssorge). Wird der Erbschein auf entsprechende Anregung nicht eingezogen, fallen daher keine Gebühren an (vgl. Jurgeleit-Diecker, a.a.O., § 18 Rn. 174; Kreidel-Zimmermann, FamFG, 17. Auflage 2011, § 353 Rn. 37; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, § 108 KostO Rn. 1).
Ein sachlicher Grund, dennoch die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Gebühr zu bejahen, ist nicht ersichtlich. Die bestandskräftige und vom Beschwerdeführer nicht angegriffene Kostengrundentscheidung im Beschluss vom 19. November 2012 rechtfertigt nur die Verteilung der entstandenen Kosten, begründet aber nicht das Entstehen einer Gebühr gemäß § 130 Abs. 1 KostO.
3. Gemäß § 31 Abs. 2 SächsVerfGHG ist der Beschluss vom 24. Januar 2013 aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal zurückzuverweisen.
III.
Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG). Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten (§ 16 Abs. 3 SächsVerf GHG).
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