Wenn ein Rechtsanwalt widerstreitende Interessen vertritt, kann seine Partei im Kostenfestsetzungsverfahren keine Erstattung der Anwaltskosten verlangen (OLG Celle, Beschluss vom 19.01.2017 - 2 W 12/17, AnwBl. 2017, 448).
Rechtsanwälte dürfen keine widerstreitenden Interessen vertreten (§ 43a Absatz 4 BRAO). Dieser Grundsatz ist einleuchtend. Die Grenzen sind aber gerade im Erbrecht schwer zu ziehen. Erforderlich ist ein konkreter Interessengegensatz. Es genügt nicht, wenn sich die Interessen nur abstrakt entgegenstehen könnten. So kommt es häufig vor, dass ein Rechtsanwalt den Erblasser bei der Testamentserrichtung berät und später den Alleinerben oder einen Miterben vertritt. Beim Alleinerben kann es im Interesse des Erblassers gelegen haben, dass der Rechtsanwalt den Willen des Erblassers abschließend umsetzt, indem er auch den Alleinerben vertritt. Bei einem Miterben dürften widerstreitende Interessen vorliegen, wenn der Rechtsanwalt einen Miterben vertritt. Wenn über die Gültigkeit oder Auslegung des Testaments gestritten wird, dürften auch widerstreitende Interessen vorliegen. Ich habe schon verschiedene Rechtsanwaltskammern mit diesen Fragen befasst. Dort wird nach meinen Erfahrungen eher ein großzügiger Maßstab angelegt. Vor Gericht wirkt sich die Vertretung widerstreitender Interessen auch nicht aus, weil dort alle Handlungen des Rechtsanwalts als wirksam angesehen werden, um den Rechtsverkehr zu schützen.
Erfreulich ist der Beschluss des OLG Celle vom 19.01.2017. Dort hatte ein Notar einen Vertrag über ein Dauerwohnrecht beurkundet. Ein Rechtsanwalt, der mit dem Notar in Sozietät verbunden war, vertrat sodann eine Partei im Streit um die Auslegung der Notarurkunde. Der Anwaltsvertrag ist nichtig. Der Rechtsanwalt bekommt kein Geld, obwohl er das Verfahren gewonnen hat. Und konsequenterweise erhält auch seine Partei im Kostenfestsetungsverfahren keine Kostenerstattung hinsichtlich der Anwaltskosten, weil diese nicht entstanden sind.
Gern höre ich Ihre Meinung zu zwei Fällen, die mich aktuell beschäftigen:
1. Die Erblasserin hatte 2 Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter ist vorverstorben und hinterließ drei Enkel. Die Erblasserin setzte ihre Abkömmlinge entsprechend der gesetzlichen Erbfolge zu Erben ein, also den Sohn zu 1/2 und die drei Enkel zu je 1/6. Sie ordente aber sehr hohe Vorausvermächtnisse zu Gunsten ihres Sohnes an, so dass zwei Enkel ausschlugen und den Pflichtteil forderten (§ 2306 BGB). Damit erbten der Sohn und ein Enkel zu je 1/2. Im Innenverhältnis muss der Enkel die Pflichtteilslast allein tragen und das Vorausvermächtnis erfüllen. Er erhält unter dem Stich nichts bzw. fast nichts. Ein Rechtsanwalt vertrat nun zunächst die beiden Erben gegen die Pflichtteilsberechtigten. Später legte er das Mandat des Enkels nieder und vertrat nur noch den Sohn. Im Prozess der Pflichtteilsberechtigten gegen die Erben erhob der Rechtsanwalt für den Sohn eine Drittwiderklage gegen den Enkel (betreffend die interne Tragung der Pflichtteilslast). Die Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main sieht keine Vertretung widerstreitender Interessen.
2. Eine Rechtsanwältin beriet einen Erblasser beim Widerruf eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments gegenüber seiner geschäftsunfähigen Ehefrau. Der Widerruf wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Jetzt streiten der Sohn (nur) der Ehefrau und der Sohn (nur) des Erblassers darum, ob durch den Widerruf ein früheres gemeinschaftliches Testament wieder auflebt oder ob gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Die Rechtsanwältin vertritt hier den Sohn der Ehefrau.
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