Das Urteil des OLG Hamm erschüttert eingefahrene Wege im Umgang der Banken mit Erbfällen. Was war passiert? Banken haben in Ziffer 5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Regel eine Klausel, die regelt, was passiert, wenn der Kunde stirbt. Diese Klauseln weichen sprachlich voneinander ab, sind inhaltlich aber im Wesentlichen gleich. Das OLG Celle hat in seinem Urteil vom 01.10.2012 nur einen Teil der Klausel der beklagten Sparkasse abgedruckt. Exemplarisch sei daher hier die vollständige Klausel der Sparkasse Chemnitz aufgeführt, die - soweit ersichtlich - wortgleich ist:
"Nr. 5 Legitimationsurkunden
(1) Erbnachweise
Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.
(2) Leistungsbefugnis der Sparkasse
Die Sparkasse ist berechtigt, auch die in Urkunden nach Absatz 1 Satz 2 als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichneten Personen als Berechtigte anzusehen, insbesondere sie verfügen zu lassen und mit befreiender Wirkung an sie zu leisten. Dies gilt nicht, wenn der Sparkasse die Unrichtigkeit oder Unwirksamkeit dieser Urkunden bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist.
(3) Sonstige ausländische Urkunden
Werden der Sparkasse ausländische Urkunden als Ausweis der Person oder zum Nachweis einer Berechtigung vorgelegt, so wird sie prüfen, ob die Urkunden zum Nachweis geeignet sind. Sie haftet jedoch für deren Eignung, Wirksamkeit und Vollständigkeit sowie für deren richtige
Übersetzung und Auslegung nur bei Fahrlässigkeit oder wenn die Urkunde insgesamt gefälscht ist. Im vorstehenden Rahmen kann die Sparkasse die in den Urkunden als Berechtigte bezeichneten Personen als berechtigt ansehen, insbesondere sie verfügen lassen und mit befreiender Wirkung an
sie leisten."
Unangemessene Benachteiligung?
Das OLG Hamm musste prüfen, ob diese Klausel nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB den Bankkunden unangemessen benachteiligt. Im Grundsatz möchte die Klausel zwei anerkennenswerte Ziele verwirklichen. Zum einen möchte die Bank schuldbefreiend leisten. Auf keinen Fall darf im Ergebnis die Bank doppelt zahlen müssen, wenn sie den Fall mit der gehörigen Sorgfalt gehandhabt hat. Zum anderen hat der wahre Erbe ein Interesse daran, dass die Bank sein Geld nicht voreilig (schuldbefreiend) an einen Dritten auszahlt. Beide Ziele sind zu verwirklichen, wenn die Bank an die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testaments mit Eröffnungsniederschrift anknüpft.Wo liegt nun das Problem? Allgemeine Geschäftsbedingungen werden anhand ihrer denkbar böswilligsten Auslegung geprüft. Diese Auslegung führt hier dazu, dass die Bank immer einen Erbschein verlangen kann, auch wenn das Erbrecht nicht streitig ist und ohne weiteres durch eine beglaubigte Abschrift eines eindeutigen Testaments und eine Ausfertigung der Eröffnungsniederschrift nachgewiesen werden kann. Es wäre wirklich unfair, wenn die Bank in diesen Fällen einen Erbschein verlangen würde. In der Praxis tut sie es auch nicht. Trotzdem reißt diese Auslegungsmöglichkeit die gesamte Klausel hinter sich her.
Und Hand aufs Herz: Die Klausel hätte wahrlich geschickter formuliert werden können. Das ist es auch, was nun zu vermuten steht, wenn die Rechtsprechung der Linie des OLG Hamm folgt. Die Banken werden schleunigst Ziffer 5 ihrer AGB nacharbeiten.
Bis dahin fehlt es den Banken an einer Grundlage für eine standardisierte Legitimationsprüfung. Vorübergehend wird daher jeder Einzelfall die Rechtsabteilungen befassen, wenn es sich die Erben nicht einfach machen und weiterhin ausreichende Legitimationsurkunden vorlegen.
Update (15.03.2013): Herr Rüdiger Pamp, Richter am BGH hat das Problem gerade beim Erbrechtstag in Berlin angesprochen, ohne es inhaltlich zu kommentieren. Die Revision liege bei seinem Senat beim BGH und sei auch schon begründet. Vom Unterton her würde ich gefühlsmäßig dazu neigen, dass Herr Pamp die Klausel als wirksam ansieht.
Update 2 (10.10.2013): Nach einer Pressemitteilung des BGH hat der Bundesgerichtshof die Klausel ebenfalls für unwirksam gehalten. Für die rechtliche Beurteilung sollten wir abwarten, was in den (noch nicht verfassten oder jedenfalls noch nicht veröffentlichten) Urteilsgründen steht.
Update 3 (07.11.2013): Die schriftlichen Urteilsgründe des BGH-Urteils liegen nun vor.
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