Eine Vorsorgevollmacht verleiht dem Bevollmächtigten regelmäßig die Rechtsmacht, sich selbst aus dem Vermögen des Vollmachtgebers zu beschenken. Aber darf der Bevollmächtigte das auch und darf er es, nachdem der Erblasser gestorben ist?
Anlass für diesen Beitrag ist ein Aufsatz von Sagemeister, MittBayNot 2013, 107, in dem er sich unter anderem dem folgenden Fall widmet: Ein Vater hat eine Tochter und einen Sohn. Der Sohn wohnt näher beim Vater, die Tochter ist weggezogen. Der Vater erteilt dem Sohn daher eine Vorsorgevollmacht, die über seinen Tod hinaus fortgilt. Darin ist ausdrücklich geregelt, dass sich der Sohn das Hausgrundstück des Vaters übertragen kann, wenn er dies möchte. Der Vater verstirbt und der Sohn schenkt sich selbst das Hausgrundstück. Die Tochter ist nicht begeistert.
Dieser Fall wirft zwei Fragen auf: Konnte sich der Sohn das Grundstück wirksam übertragen und wenn ja, darf er das Grundstück auch behalten? Die erste Frage ist mit Ja zu beantworten. Der Sohn konnte sich das Grundstück nach dem Inhalt der Vollmacht übertragen. Es war ihm auch gestattet, dies durch ein sogenanntes Insichgeschäft zu tun, bei dem er selbst für sich und für seinen Vater (genauer: dessen Erben) handelte.
Die große Frage lautet nun, ob der Sohn das Grundstück auch behalten darf. Diese Frage ist nach dem Auftragsrecht zu beantworten. Dazu wird regelmäßig danach gefragt, ob es auf die Interessen des Vollmachtgebers oder die Interessen seiner Erben ankomme. Sagemeister führt aus, es komme auf die Interessen der Erben (und damit auch der Tochter an). Er bezieht damit eine Gegenpostion zu der wohl überwiegenden Meinung, es komme auf die Interessen des Erblassers an.
Zutreffend ist beides nicht, weil bereits die Fragestellung falsch ist. Der Bevollmächtigte muss nach den Weisungen des Vollmachtgebers handeln. Nach § 665 Satz 2 BGB hat der Bevollmächtigte eine Rückfragepflicht, wenn sich die Sachlage ändert. Davon gibt es eine Ausnahme, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. In unserem Beispielsfall greift diese Ausnahme nicht ein.
Die ursprüngliche Weisung lag darin, dass sich der Sohn das Grundstück übertragen darf, wenn er möchte. Die Frage ist damit, ob hier eine Änderung der Sachlage vorliegt, die zu einer Rückfragepflicht geführt hätte. Die einzige Änderung ist der Tod des Vollmachtgebers. Es fragt sich, ob dieser Umstand vorhersehbar war und was der Vollmachtgeber in diesem Fall gewünscht hätte. Leider gibt der Sachverhalt unseres Ausgangsfalles dazu nicht genug her. Es spricht viel dafür, dass sich der Sohn auch nach dem Tod das Grundstück übertragen durfte, wenn er es bereits vor dem Tod durfte. Es müsste aber ermittelt werden, ob der Wille des Vollmachtgebers noch nachvollzogen werden kann.
Sagemeister argumentiert mit Folgeproblemen im Pflichtteilsrecht und im Erbschaftsteuer - bzw. Schenkungsteuerrecht. Hierzu soll nur ganz kurz darauf verwiesen werden, dass der Tochter analog § 2325 Absatz 1 BGB ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht, auch wenn die Schenkung erst nach dem Tod des Erblassers stattfand. Hinsichtlich der steuerlichen Erwägungen halte ich es für unzulässig, daraus Rückschlüsse auf die zivilrechtliche Rechtslage zu ziehen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nachgelagert und die Probleme müssen im Steuerrecht gelöst werden.
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