Die Vorschrift ist verfassungswidrig, weil es das Erbschaftsteuergesetz derzeit ermöglicht, Unternehmensvermögen in Millionenhöhe steuerfrei zu übertragen. Damit wurde die Erbschaftsteuer zu einer Dummensteuer für Gestaltungsmuffel. Eigentlich wussten das auch bereits alle, bevor das Erbschaftsteuergesetz in der derzeitigen Fassung beschlossen wurde.
Was ist nun die Folge? Nach §§ 82 Absatz 1, 78 BVerfGG gilt folgendes:
"Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären."
Das Bundesverfassungsgericht musste das Gesetz für nichtig erklären. Das hat es aber nicht getan. Es hat die Regelung vielmehr nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und ausgesprochen:
Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2016 zu treffen.
In einem ersten Gedankenschritt führte das BVerfG aus, es wäre nicht richtig, das ErbStG für nichtig zu erklären, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten habe, den Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu beseitigen. Welche Möglichkeiten das sein sollen, ließ das BVerfG offen. Der Gesetzgeber kann alle von der Erbschaftsteuer befreien. Er kann aber nicht rückwirkend alle gleich stark belasten. Das wäe genauso, als würde der Gesetzgeber rückwirkend ein neues Steuergesetz einführen.
Die Unvereinbarkeitserklärung wäre noch nicht so schlimm. Bis zur Neuregelung dürfte das ErbStG nicht angewendet werden. Es wäre quasi eine Nichtigkeitserklärung auf Zeit. Das wollte das BVerfG aber nicht. Im Interesse einer verlässlichen Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs soll vielmehr das ErbStG in der verfassungswidrigen Version weiter angewendet werden. Das Geld sei eben für die Länder zu wichtig. Und es wäre zu schlimm, wenn Erb- und Schenkungsfälle bis zur Neuregelung nicht abgewickelt werden könnten.
Abschließend führte das BVerfG noch aus, dass für eine exzessive Ausnutzung der Verschonungsregelungen kein Vertrauensschutz gegen eine rückwirkende Verschlimmerung bestehe. Wann wird wohl solch ein Sonderfall vorliegen?
Im Ergebnis bleiben zwei Feststellungen:
1. Das BVerfG hat sich nicht an das Gesetz gehalten.
2. Eigentlich kann der Gesetzgeber die Erbschaftsteuer nur für den betreffenden Zeitraum ganz abschaffen, um den Gleichheitsverstoß zu beseitigen, weil eine rückwirkende Verschlimmerung im gebotenen Maß nicht möglich sein dürfte. Aber was nützen Grundrechte, wenn ihre Durchsetzung nicht möglich ist? (Siehe dazu auch: Grundrechte gelten nicht für jeden).
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