Der BFH führte dazu folgendes aus:
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Übermittlung des Urteils ca. eineinhalb Stunden nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung kein Verfahrensverstoß. Selbst wenn die nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers zuträfe, zumindest ein Urteilsentwurf habe zu Beginn der mündlichen Verhandlung bereits vorgelegen, wäre dies ein rechtlich nicht zu beanstandendes Verfahren der Terminsvorbereitung und Urteilsfindung. Es entspricht allgemeiner Übung, dass sich der Richter vor der mündlichen Verhandlung umfassend den gesamten Sach- und Streitstand erarbeitet und sich so in die Lage versetzt, dem gesetzlichen Gebot zu entsprechen, einen Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. dazu näher: Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 79 Rz 1). Dass dieses Vorgehen vielfach in einen Urteilsentwurf mündet, ist nicht nur ein Gebot rationeller Arbeitsweise, weil damit zugleich die Basis für die spätere Urteilsbegründung erarbeitet wird, es dient auch der Selbstkontrolle, weil auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit einzelner Punkte und die Entscheidungsreife des Falls besonders deutlich werden. Schließlich dient dieses Verfahren typischerweise nur einer vorläufigen Standortbestimmung, die sich infolge anderer oder besserer späterer Erkenntnisse bei der endgültigen Überzeugungsbildung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) als korrekturbedürftig erweisen kann (vgl. im Übrigen auch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. März 1959 1 BvR 53/56, BVerfGE 9, 213, 215), so dass in dieser Vorgehensweise keine Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör gesehen werden kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 2006 X B 4/06, BFH/NV 2006, 1867). Sie zeigt vielmehr, dass das FG das Vorbringen der Beteiligten bis zur mündlichen Verhandlung sorgfältig zur Kenntnis genommen und verarbeitet hat (ausführlich BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 55/94, BFHE 177, 344, BStBl II 1995, 604).Ist es tatsächlich üblich, dass Richter ihre Urteile bereits vor dre mündlichen Verhandlung schreiben - jedenfalls bei den Finanzgerichten? Rationell ist das übrigens nur, wenn der Richter in der Verhandlung kein einziges Argument hört, das sein Urteil in Frage stellt. Und wie groß wird wohl die Bereitschaft sein, den mühevoll gefertigten Urteilsentwurf zu ändern? Ich würde eher behaupten, dass ein Richter befangen ist, wenn er vor der mündlichen Verhandlung das Urteil schreibt.
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